Deutschland

Überblick Monitor soziale Rechte

Punktzahl 51

Überblick Monitor soziale Rechte

Deutschland war von der russischen Invasion in der Ukraine besonders betroffen, sowohl aufgrund seiner Abhängigkeit von russischen Energiequellen als auch aufgrund der großen Zahl ukrainischer Flüchtlinge, die im Land Schutz suchten. Die NSG berichtete über die schwerwiegenden Auswirkungen der Invasion auf die deutsche Gesellschaft und stellte fest, dass die Löhne nicht mit den steigenden Nahrungsmittel-, Energie- und Wohnkosten Schritt gehalten hätten. Besonders hervorgehoben wurde die Wohnungskrise, da fast zwei Millionen Wohnungen fehlen und Wohnraum immer unbezahlbarer wird. Obwohl Deutschland mit der Einführung des 49-Euro-Deutschlandtickets großen Erfolg bei der Förderung eines nachhaltigen öffentlichen Nahverkehrs hatte, berichtete die NSG, dass keine Fortschritte bei der Verringerung der Abhängigkeit Deutschlands von fossilen Brennstoffen, insbesondere Kohle, erzielt wurden. Zu den positiven Entwicklungen im Berichtszeitraum zählen die Ausweitung des Deutschunterrichts für Migranten, die erfolgreiche Mobilisierung staatlicher und ziviler Ressourcen zur Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge sowie die anhaltende Widerstandsfähigkeit der deutschen Beschäftigung.

Chancengleichheit und Zugang zum Arbeitsmarkt

Punktzahl 60

Chancengleichheit und Zugang zum Arbeitsmarkt

Geschlechtergleichheit

Obwohl eine Mehrheit der Deutschen glaubt, dass die Gleichstellung der Geschlechter in ihrem Land weitgehend erreicht ist,[1] Die NSG wies auf viele Bereiche hin, in denen die Ungleichheit zwischen Männern und Frauen immer noch groß ist. Es wurden Bedenken wie Lohnunterschiede, die Verteilung der Berufe, die Verteilung unbezahlter Haus- und Pflegearbeit, ungleicher Zugang zu Bildung und geschlechtsspezifische Gewalt geäußert. Auf dem Arbeitsmarkt hat sich das geschlechtsspezifische Lohngefälle seit mehreren Jahren nicht verbessert und liegt im Jahr 2022 weiterhin bei 18%.[2] Frauen sind in Deutschland im Durchschnitt seltener erwerbstätig als Männer, arbeiten eher in Teilzeit und sind eher in schlecht bezahlten Sektoren wie dem Gesundheitswesen, dem Bildungswesen und der Reinigungsbranche beschäftigt.[3] Darüber hinaus betrug der geschlechtsspezifische Stundenunterschied (definiert als der Unterschied zwischen der durchschnittlichen Anzahl bezahlter Arbeitsstunden pro Monat zwischen Männern und Frauen) im Jahr 2022 27 Stunden. Die NSG weist darauf hin, dass dieser Unterschied nicht nur zum geschlechtsspezifischen Lohngefälle beiträgt, sondern es auch ist ein Indikator für die große Menge an unbezahlter Betreuungsarbeit, die von Frauen geleistet wird. Während deutsche Männer täglich rund 2,3 Stunden für unbezahlte Care-Arbeit aufwenden, sind es bei Frauen 5,2 Stunden.[4] Auch der Anteil von Frauen in Führungspositionen gibt Anlass zur Sorge. Die einzigen Branchen, in denen durchschnittlich mehr als 24% Führungspositionen mit Frauen besetzt sind, sind das Verlagswesen (24,4%), der Einzelhandel (26%) und das Gesundheitswesen (37%).[5] Mit dem Führungsstellengesetz II von 2021 hat die Bundesregierung versucht, den Anteil von Frauen in Führungspositionen auf mindestens 30% zu bringen. Allerdings verfügt das Gesetz über unzureichende Überwachungsmechanismen und sieht keine Verfahren zur Sanktionierung von Unternehmen vor, die sich nicht daran halten. Nach dem ersten Leadership Positions Act von 2015 stieg der Anteil von Frauen in Führungspositionen im öffentlichen Sektor jedoch von 32% im Jahr 2015 auf 41% im Jahr 2022.[6]

Inklusion von Migranten, Flüchtlingen und Asylsuchenden

Deutschland beherbergt die meisten Flüchtlinge aller Länder in der Europäischen Union und die viertgrößte Zahl weltweit. Die Zahl der Flüchtlinge verdoppelte sich infolge der russischen Invasion in der Ukraine von 1,2 Millionen Anfang 2022 auf 2,1 Millionen Anfang 2023.[7] Derzeit leben dort etwa 900.000 Ukrainer, 665.000 Syrer, 180.000 Afghanen und 151.000 Iraker.[8] Die Zahl der Asylbewerber ging nach der Schließung der Westbalkanroute und dem EU-Türkei-Abkommen zurück, und auch die Aufnahmequote sank auf einen Tiefststand von 35% im Jahr 2018, ist aber seitdem gestiegen. Allein in den ersten fünf Monaten des Jahres 2023 gingen 102.000 Asylanträge ein.[9] Die NSG berichtet, dass die Aufnahme und Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge trotz der großen Zahl an Ankünften ein großer Erfolg sei. Es wurde jedoch zu Recht gefragt, warum Maßnahmen wie die Befreiung von der Visumpflicht und der vorübergehende EU-Schutz nur für Ukrainer eingeführt wurden. Die Möglichkeit, internationalen Schutz für Menschen aus anderen Ländern zu erlangen, ist deutlich eingeschränkter, und Asylentscheidungsverfahren dauern manchmal mehrere Jahre, was zu großer Unsicherheit für die betroffenen Menschen führt. Im Jahr 2023 wurde außerdem das Gelegenheitsaufenthaltsrecht eingeführt, das es Menschen, die für fünf Jahre „geduldet“ werden, ermöglicht, ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht zu erlangen. Unter „Duldung“ versteht man den Status, der Personen zuerkannt wird, die trotz Ausreisepflicht eine Aussetzung dieser Ausreisepflicht aus Gründen wie laufender Ausbildung, Festanstellung oder drohender Familientrennung erwirkt haben. Es wird jedoch geschätzt, dass nur 33.000 von potenziell 135.000 Menschen tatsächlich von diesem Recht Gebrauch machen können.[10]

Die Integration von Migranten, Asylbewerbern und Flüchtlingen wird im Nationalen Aktionsplan Integration (NAP-I) geregelt. Das konkretste Beispiel des NAP-I sind die Kurse für Einwanderer zur deutschen Sprache und Orientierung in Deutschland. Im Jahr 2022 nahmen an diesen Kursen eine rekordverdächtige Teilnehmerzahl teil – über eine halbe Million Menschen, davon 200.000 Ukrainer. Die Kurse umfassen 700 Unterrichtsstunden, davon sind 600 Stunden dem Erwerb der deutschen Sprache gewidmet und 100 Stunden davon entfallen auf den Orientierungskurs. Dazu gehören Informationen zum deutschen Rechtssystem, zur Geschichte, Kultur und Werten. Die NSG berichtet, dass die Kurse den Teilnehmern eine Identifikation mit Deutschland vermitteln und die Integration fördern. Aufgrund der hohen Nachfrage vereinfachte die Regierung im Jahr 2022 die Akkreditierungsverfahren für Lehrkräfte, was zu einem Anstieg der Zahl der zugelassenen Lehrkräfte von 2021 bis 2022 um 40% führte. Darüber hinaus wurden seit 2016 6 Milliarden Euro in Integrationsmaßnahmen investiert.[11]  Insgesamt investierte die Bundesregierung im Jahr 2022 830 Millionen Euro in Projekte und Maßnahmen im Zusammenhang mit Migration und Integration.[12]

Jugendarbeitslosigkeit

Die Jugendarbeitslosenquote in Deutschland erreichte im Jahr 2022 einen Rekordtiefstand von 4,4%.[13]  Im April 2023 sank die Rate noch weiter auf 4,21 TP3T. Die NSG berichtet, dass Deutschland während der Pandemie von einem rasanten Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit weitgehend verschont blieb.

Gute Praxis: Aktive Arbeitsmarktpolitik

Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern ist die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland besonders niedrig. Dies ist zum Teil auf das gut entwickelte Berufsbildungssystem und die öffentliche Arbeitsverwaltung, die Bundesagentur für Arbeit (BA), zurückzuführen. Die BA zeichnet sich insbesondere durch ihr flexibles Beratungsangebot aus, das sich an den Bedürfnissen des Arbeitssuchenden orientiert. Dies ermöglicht mehr Ermessensfreiheit im Beratungsprozess und stärkt die Rolle und Entscheidungsfreiheit des Arbeitsuchenden bei seinem Übergang zurück in den Beruf. Der Fokus der BA auf die Förderung der beruflichen Bildung ist ein weiterer wesentlicher Grund für den deutschen Arbeitsmarkterfolg.[14] Im Hinblick auf die aktive Arbeitsmarktpolitik insbesondere für junge Menschen verwies die NSG auf das Gesetz zur Verbesserung der Integrationschancen am Arbeitsmarkt. Dieses 2011 verabschiedete Gesetz hat einen wesentlichen Beitrag zur Verhinderung der Jugendarbeitslosigkeit geleistet. Das Gesetz sieht eine individuelle Unterstützung bei der Arbeits- oder Ausbildungsplatzsuche schon vor dem Schulabschluss vor. Durch die Fokussierung auf einen reibungslosen Übergang zwischen Schule und Beruf bzw. Weiterbildung verringert das System sowohl die Unsicherheit für junge Arbeitsuchende als auch die Belastung des Sozialversicherungssystems.[15]   

[1] Statista (2018), Umfrage zur Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau in Deutschland: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/926357/umfrage/umfrage-zur-verwirklichung-der-gleichstellung-der-frau-in-deutschland/

[2] Statista (2023), Gender Pay Gap bis 2022: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/3261/umfrage/gender-pay-gap-in-deutschland/

[3] Statista (2023), Anteil von Frauen und Männern in verschiedenen Berufsgruppen 2022: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/167555/umfrage/frauenanteil-in-verschiedenen-berufsgruppen-in-deutschland/

[4] Statista (2021), Infografik: Gender Care Gap immer noch viel zu hoch: https://de.statista.com/infografik/24809/hoehe-des-gender-care-gaps-in-deutschland/

[5] Statista (2023), Frauen in Führungspositionen nach Branchen 2022: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/575509/umfrage/frauenanteil-in-fuehrungspositionen-in-deutschland-nach-branchen/

[6] Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2021), FüPoG II: Zweites Gesetz für Führungspositionen: https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/gesetze/zweites-fuehrungspositionengesetz-fuepog-2-164226

[7] UNHCR (2023), Flüchtlingsstatistik: https://www.unhcr.org/refugee-statistics/

[8] Concern Worldwide (2023), Welche Länder nehmen 2023 die meisten Flüchtlinge auf?: https://www.concern.net/news/which-countries-take-in-the-most-refugees

[9] Statista (2023), Gesamtschutzquote: Anteil der als Flüchtlinge anerkannten oder asylberechtigten Asylbewerber in Deutschland von 2005 bis 2023; https://de.statista.com/statistik/daten/studie/452067/umfrage/gesamtschutzquote-der-asylbewerber-in-deutschland/

[10] Mediendienstintegration (2023), Aufenthaltsrecht: Wie viele Personen sind davon betroffen?: https://mediendienst-integration.de/artikel/chancenaufenthaltsrecht-wie-viele-personen-betrifft-es.html

[11] Bundesrechnungshof (2022), Integrationsmaßnahmen im Bund: https://www.bundesrechnungshof.de/SharedDocs/Downloads/DE/Berichte/2022/integraionsmassnahmen-zugewanderte-gefluechtete-volltext.pdf?__blob=publicationFile&v=1

[12] Bundesministerium des Innern (2023), Das Ministerium investiert 160 Millionen Euro mehr in Integrationskurse: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2023/06/mittel-integrationskurse.html

[13] Statista (2023), Jugendarbeitslosenquote 2005 – 2022: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/440534/umfrage/jugendarbeitslosenquote-in-deutschland/#:~:text=Jugendarbeitslosenquote%20(15%20bis%20unter%2025%20Jahre)%2%200in%20Deutschland%20bis%202022&text=Diese%20Statistik%20zeigt%20die%20Arbeitslosenquote1,im%20Jahresdurchschnitt%204%2C4%20Prozent

Richtige Quelle: https://www.tagesschau.de/inland/bamf-sprachkurse-101.html [Ga1]

[14] IAB-Forum (2023), Aktive Arbeitsmarktpolitik: https://www.iab-forum.de/en/active-labour-market-policies/

[15] Deutscher Bundestag (2011), Gesetz zur Verbesserung der Integrationschancen am Arbeitsmarkt: https://dserver.bundestag.de/btd/17/062/1706277.pdf

Faire Arbeitsbedingungen

Erreiche 50

Faire Arbeitsbedingungen

Die Tariflöhne hielten im Jahr 2022 nicht mit der Inflation Schritt und stiegen im Durchschnitt nur um 2,71 TP3T, verglichen mit einer Inflationsrate von 7,91 TP3T. Dies lag vor allem daran, dass viele geltende Tarifverträge vor der russischen Invasion in der Ukraine ausgehandelt wurden, als kein großer Anstieg der Inflation zu erwarten war. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit herrscht in Deutschland ein gravierender Arbeitskräftemangel, der bis 2026 schätzungsweise 240.000 unbesetzte Stellen erreichen wird. Dieser angespannte Arbeitsmarkt könnte den Gewerkschaften dabei helfen, die Löhne bei den bevorstehenden Tarifverhandlungen im Einklang mit der Inflation zu halten. Der Mindestlohn wurde im Laufe des Jahres 2022 zweimal angehoben, zunächst im Juli auf 10,45 Euro pro Stunde und dann im Oktober auf bis zu 12 Euro.[1]

Work-Life-Balance

Die NSG berichtete, dass deutsche Arbeitnehmer zunehmend unzufrieden mit ihrer Work-Life-Balance seien, was negative Auswirkungen auf ihre geistige und körperliche Gesundheit habe. Laut einer im Jahr 2022 durchgeführten Studie geben 48% der Arbeitnehmer an, mehr als ihre vertraglich vereinbarten Stunden zu arbeiten; 62% sagen, dass sie manchmal arbeiten, auch wenn sie sich krank fühlen; 57% geben an, dass sie sich nach einem Arbeitstag erschöpft fühlen; und 38% berichten, dass es ihnen schwerfällt, nach der Arbeit abzuschalten und ihre Freizeit zu genießen. Besonders betroffen sind junge Arbeitnehmer (im Alter von 16 bis 34 Jahren): 72% geben an, auch im Krankheitsfall zu arbeiten, und 40% erklären, dass sie gerne den Arbeitsplatz wechseln würden (im Vergleich zu 27% für die Gesamtbevölkerung).[2]

Die NSG hob die Vier-Tage-Woche als mögliche Lösung für die sich verschlechternde Work-Life-Balance in Deutschland hervor. Mehr als 80% der Befragten wären für eine Vier-Tage-Woche ohne Lohnkürzungen. Versuchsprogramme wurden unter anderem in Großbritannien und Spanien durchgeführt und erwiesen sich als großer Erfolg. Die NSG berichtet jedoch, dass das deutsche Arbeitsministerium keine Pläne zur Förderung der Vier-Tage-Woche habe. Darüber hinaus entfällt die während der Corona-Pandemie geltende Vorgabe, Arbeitnehmern Telearbeit zu ermöglichen, so dass Telearbeit vollständig im Ermessen des Arbeitgebers liegt. Die Bundesregierung plant, ein Gesetz zur Stärkung des Rechts auf Telearbeit vorzulegen, bislang gibt es jedoch keine Fortschritte. 

[1] Eurofound (2023), Arbeitsleben in Deutschland 2023: https://www.eurofound.europa.eu/en/resources/article/2023/working-life-germany-2023

[2] IHK Hannover (2022), Aktuelle Studie zum Arbeitsleben in Deutschland veröffentlicht: https://www.nw-ihk.de/2022/10/studie-arbeitsleben-mintel-deutschland/

[3] Hans-Böckler-Stiftung (2021), Rund 81 Prozent der Vollzeitbeschäftigten wollen eine Vier-Tage-Woche, die große Mehrheit will einen Lohnausgleich: https://www.boeckler.de/de/pressemitteilungen-2675-rund-81-prozent-der-vollzeitbeschaftigten-wollen-vier-tage-woche-49242.htm

[4] Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2023), Telearbeit: https://www.bmas.de/DE/Arbeit/Arbeitsrecht/Teilzeit-flexible-Arbeitszeit/homeoffice.html#doc387a1a0e-79c3-4c4b-a284-ac58a04d62bcbodyText1   

Englischer Titel erforderlich [PF1] [PF1]

Englische Erklärung erforderlich [PF2] [PF2]

Soziale Eingliederung und Sozialschutz

Punktzahl 42

Soziale Eingliederung und Sozialschutz

Armutsbekämpfung

Die Quote der von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedrohten Deutschen lag im Jahr 2022 bei 20,91 TP3T, was keine Veränderung gegenüber 2021 darstellt. In absoluten Zahlen bedeutet dies, dass 17,3 Millionen Deutsche von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht sind. Der Paritätische Gesamtverband, ein Dachverband freiwilliger Wohlfahrtsverbände, schätzt, dass 26,61 TP3T der Deutschen in Armut erwerbstätig sind, 23,31 TP3T im Ruhestand sind, 20,91 TP3T Kinder unter 18 Jahren sind, 5,51 TP3T arbeitslos sind und die restlichen 23,71 TP3T anderen Kategorien von Nicht-Arbeitslosen angehören -arbeitende Menschen. Die NSG stellt fest, dass die Pandemie zu einem drastischen Anstieg von Armut und sozialer Ausgrenzung geführt hat, insbesondere bei Menschen in Berufen, die bedeuteten, dass sie während des Lockdowns nicht arbeiten konnten. Ein weiteres angesprochenes Thema war die hohe Inflation, die durch die russische Invasion in der Ukraine verursacht wurde und im Jahr 2022 zu einem Rückgang der Reallöhne um 5,51 TP3T führte. Besonders hoch war die Inflation bei Grundnahrungsmitteln wie Nahrungsmitteln, Wohnraum und Energie.[3] Mittlerweile gibt der durchschnittliche Deutsche mehr als die Hälfte (52%) seines Einkommens für Wohnen und Essen aus, sodass weniger als die Hälfte für alle anderen Zwecke zur Verfügung steht. 

Die Bundesregierung hat im Laufe des Jahres 2022 mit mehreren Maßnahmen für Entlastung gesorgt. Im Energiebereich waren dies unter anderem die Abschaffung der EEG-Umlage sowie eine Bremse bei den Gas- und Strompreisen. Weitere Maßnahmen waren die Einführung des Deutschland-Tickets (siehe Abschnitt „Gerechter Übergang“), die Anhebung des Arbeitslosen- und Kindergeldes sowie die Einführung mehrerer Einmalzahlungen. Die NSG hielt diese Maßnahmen im Großen und Ganzen für wirksam.

Gehäuse

Die NSG meldet eine katastrophale Wohnungssituation in Deutschland. Die Lücke im Wohnungsangebot, insbesondere im Sozialwohnungsbau, ist enorm und nimmt weiter zu. Allein in den 77 größten deutschen Städten fehlen 1,9 Millionen bezahlbare Wohnungen, in Städten mit mehr als einer Million Einwohnern ist die Situation noch schlimmer. Der Bestand an Sozialwohnungen hat sich seit 2006 halbiert, was auf den Wegfall der Anreize für den Bau von Sozialwohnungen in den 1990er Jahren zurückzuführen ist. Von der Wohnungskrise sind einkommensschwache Singles und Haushalte mit mehr als fünf Personen betroffen. Rund 8,5 Millionen Menschen, davon 13% Mieter, sind mit so hohen Wohnkosten konfrontiert, dass ihr Einkommen nach Zahlung der Miete unter dem Existenzminimum liegt.

Die NSG hob das Bündnis für bezahlbaren Wohnraum hervor, das von Bauministerin Klara Geywitz ins Leben gerufen wurde. Das Bündnis, dem Kommunal- und Landesregierungen, Kirchen und Architektenverbände angehören, hat 187 Maßnahmen erarbeitet, die als Handlungsgrundlage zur Bewältigung der Wohnungskrise dienen und der Bundesregierung dabei helfen sollen, ihr Ziel, jährlich 400.000 Wohnungen zu bauen, darunter klassifizierte Wohnungen, zu erreichen Sozialwohnungen. Allerdings verwies die NSG auf 2022.

[1] Bundesamt für Statistik (2023), Lebensbedingungen und Armutsrisiko:

https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Einkommen-Konsum-Lebensbedingungen/Lebensbedingungen-Armutsgefaehrdung/_inhalt.html 

[2] Der Paritätische (2023), Armutsreport 2022: https://www.der-paritaetische.de/themen/sozial-und-europapolitik/armut-und-grundsicherung/armutsbericht-2022-aktualisiert/

[3] Bundesamt für Statistik (2023), Real- und Nominallöhne: https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Verdienste/Realloehne-Nettoverdienste/_inhalt.html

[4] Bundesamt für Statistik (2023), Konsumausgaben und Lebenshaltungskosten:

https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Einkommen-Konsum-Lebensbedingungen/Konsumausgaben-Lebenshaltungskosten/_inhalt.html

[5] Bundeszentrale für politische Bildung zum Thema Armut (2022), Die Armut in Deutschland wächst:

https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/516505/armut-in-deutschland-waechst/

[6] Stern (2023), Studie: In Deutschland fehlen 700.000 Wohnungen: https://www.stern.de/news/studie--in-deutschland-fehlen-700-000-wohnungen-33093314.html

Bürgerschaftlicher Raum

Punktzahl 42

Bürgerschaftlicher Raum

Rede- und Versammlungsfreiheit

Obwohl Deutschland nach wie vor zu den Ländern gehört, in denen die Meinungs- und Versammlungsfreiheit am meisten respektiert wird, gab es im Jahr 2022 einige besorgniserregende Entwicklungen. Am bemerkenswertesten war eine Reihe von Angriffen auf Journalisten durch rechte Verschwörungstheoretiker bei Protesten gegen Covid-Maßnahmen. In Aachen kam es zu Angriffen auf Journalisten.[1] Waren,[2] Ortenaukreis,[3] Dresden[4] und Freiberg,[5] unter anderem. Reporter ohne Grenzen berichten auch über den gelegentlichen Einsatz von strategischen Klagen gegen die Öffentlichkeitsbeteiligung (SLAPPs) durch große Unternehmen, um die Presse zum Schweigen zu bringen und einzuschüchtern.[6]

Im Berichtszeitraum kam es auch zu Angriffen auf Demonstranten sowohl seitens staatlicher als auch nichtstaatlicher Akteure. Am tragischsten ist, dass im September 2022 bei einer Pride-Veranstaltung in Münster ein Transgender-Mann ermordet wurde, nachdem er sich für die Verteidigung einer Gruppe von Frauen eingesetzt hatte, die von einem Mann bedroht wurden, der homophobe Beschimpfungen rief.[7] Im Mai hinderten die Berliner Behörden palästinensische Aktivisten in ungerechtfertigter und unverhältnismäßiger Weise daran, den Nakba-Tag öffentlich zu begehen.[8] Im Oktober griffen unbekannte Angreifer demokratiefreundliche Demonstranten vor der iranischen Botschaft in Berlin an und bedrohten sie mit einer Waffe.[9] Im weiteren Sinne und im Einklang mit dem europäischen Trend haben deutsche Behörden zivilen Ungehorsam von Umweltaktivisten hart – und manchmal unverhältnismäßig – bestraft, was häufig zu Inhaftierungen führte. Trotz dieser Vorfälle bleibt Deutschland ein Land, in dem der bürgerschaftliche Raum respektiert wird. Der CIVICUS-Monitor erklärt den deutschen Bürgerraum für offen.[10]

[1] Mapping Media Freedom (2022), Journalistin Armilla Brandt und Begleitperson bei der Berichterstattung über den Protest schikaniert: https://www.mapmf.org/alert/25314

[2] Mapping Media Freedom (2022), Fotojournalistin Lotta Ulrich beleidigt während der Teuerungsdemonstration in Waren: https://www.mapmf.org/alert/25268

[3] Mapping Media Freedom (2022), die freie Journalistin Armilla Brandt, wurde während einer Kundgebung am Montagabend körperlich angegriffen: https://www.mapmf.org/alert/25290

[4] Mapping Media Freedom (2022), Journalist von Querdenker-Demonstrant ins Gesicht geschlagen: https://www.mapmf.org/alert/24514

[5] Mapping Media Freedom (2022), Von Demonstranten beleidigte Journalisten und versuchter Angriff: https://www.mapmf.org/alert/24539

[6] Reporter ohne Grenzen (2023), Deutschland: https://rsf.org/en/country/germany

[7] The Guardian (2022), Transgender-Mann stirbt nach Angriff auf Pride-Parade in Deutschland: https://www.theguardian.com/world/2022/sep/02/transgender-man-dies-after-pride-parade-assault-in-germany

[8] Human Rights Watch (2022), Berlin verbietet Demonstrationen zum Nakba-Tag: https://www.hrw.org/news/2022/05/20/berlin-bans-nakba-day-demonstrations

[9] The Guardian (2022), Demonstranten in der Nähe der iranischen Botschaft in Berlin angegriffen: https://www.theguardian.com/world/2022/oct/31/protesters-attacked-near-iranian-embassy-in-berlin

[10] CIVICUS (2023), Monitor – Deutschland: https://monitor.civicus.org/

Einfacher Übergang

Punktzahl 46

Einfacher Übergang

Zugang zu Energie

Deutschland war besonders von der Energiekrise betroffen, die durch den Einmarsch Russlands in die Ukraine ausgelöst wurde. Im Mai 2022 hatten 25% der Bundesbürger Energiekosten, die 10% ihres Einkommens überstiegen. Deutsche der unteren Mittelschicht, die zwischen 60% und 80% des durchschnittlichen deutschen Einkommens verdienen, waren im Jahr 2022 doppelt so häufig von überhöhten Energiekosten betroffen wie im Jahr 2021.[1] Die Bundesregierung hat im Dezember 2022 mehrere Entlastungsmaßnahmen umgesetzt, darunter eine Energiepreisbremse[2] und eine Pauschalzahlung von 200 € für Studierende im März 2023. Die NSG stellte jedoch fest, dass die Regierung dafür kritisiert wurde, nicht genug zu tun, um gefährdetere Gruppen wie Studierende zu unterstützen, und die Unterstützungszahlungen zu verzögern. Am besorgniserregendsten war, dass die NSG darauf hinwies, dass große Unternehmen in dieser Zeit hoher Inflation, sinkender Reallöhne und zunehmender Armut Gewinne in Milliardenhöhe erzielten. Dies galt insbesondere für Energieunternehmen, die ihre Gewinne im Vergleich zu 2021 teilweise verdoppelten.[4] Dennoch wurden Forderungen nach einer Steuer auf überschüssige Gewinne nicht beantwortet.

Die NSG berichtete außerdem, dass das Jahr 2022 ein Rückschlag für den Übergang Deutschlands zu erneuerbaren Energiequellen sei. Deutschland ist der größte Energieverbraucher in Europa und sein Energiemix besteht zu 751 TP3T aus fossilen Brennstoffen, während nur 161 TP3T aus erneuerbaren Quellen stammen. Darüber hinaus hat die Abhängigkeit Deutschlands von Kohle im Zeitraum 2022–2023, insbesondere durch die Schließung seiner Kernkraftwerke, nur zugenommen. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Land sein Ziel erreicht, seine Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen bis 2030 zu beseitigen, ist sehr gering.[5]

Zugang zu nachhaltiger Mobilität

Die Zahl der Menschen, die öffentliche Verkehrsmittel in Deutschland nutzen, ist im Jahr 2022 rasant gestiegen. Im Jahresverlauf wurden 10,2 Milliarden Fahrten mit Bussen und Bahnen unternommen, ein Anstieg von 29% gegenüber 2021. Hauptgrund war die Einführung des 9-Euro-Tickets für die Monate Juni, Juli und August 2022 und die anschließende Einführung des Deutschlandtickets für 49 € im Monat. Diese Tickets ermöglichen eine unbegrenzte Fahrt mit allen Nah- und Regionalzügen und Bussen. Die NSG berichtete, dass der Vorteil dieser Fahrkarten neben ihrer Billigkeit auch darin bestehe, dass sie das ganze Land im Rahmen eines ÖPNV-Abonnements vereinen. Bisher verfügte jeder regionale Verkehrsverbund über ein eigenes Abonnement und einen eigenen Ticketverkauf, so dass für jede Region ein anderes Ticket erforderlich war. Die Nachfrage nach dem Ticket war riesig. Jeden Monat wurden durchschnittlich 27 Millionen Exemplare verkauft und 1 Milliarde Fahrten mit dem Ticket unternommen. Der CO2-Ausstoß wurde um 1,8 Millionen Tonnen reduziert und 88% der Nutzer waren mit dem Ticket zufrieden.[6] 

Zu den weiteren Entwicklungen im Bereich der nachhaltigen Mobilität gehörte die Förderung von Elektroautos. Im Jahr 2022 hat sich die Bundesregierung das Ziel gesetzt, bis 2030 15 Millionen Elektroautos in Deutschland zu erreichen. Darüber hinaus gibt es laut NSG einen Ausbau der Ladepunkte für Elektrofahrzeuge. Die Regierung hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 mehr als eine Million Ladepunkte zu schaffen. Dennoch weist die NSG darauf hin, dass es große Lücken bei den Investitionen in nachhaltige Mobilität gibt. Experten thematisieren regelmäßig die Defizite und Überlastungen der deutschen Bahnen,[7] Und obwohl das Ziel für 2022 darin bestand, erstmals mehr Geld in die Schiene als in die Straße zu investieren, wurden nur 75 km neue Bahngleise verlegt.[8]

[1] Clean Energy Wire (2022), Energiearmut trifft zunehmend die deutsche Mittelschicht – Analyse: https://www.cleanenergywire.org/news/energy-poverty-increasingly-affecting-germanys-middle-class-analysis

[2] Bundesregierung (2022), Energiepreisbremsen kommen:

https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/energiepreisbremsen-2145728

[3] Bund (2023), Einmalzahlung: 200 Euro für Studierende: https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/einmalzahlung-studierende-2143736

[4] Statista (2023), Betriebsgewinne der größten Energieunternehmen mit Sitz in Deutschland im Jahr 2022: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1379217/umfrage/gewinne-ausgewaehlter-energiekonzerne-aus-deutschland/

[5] Statista (2023), Die Energieziele der Regierung liegen in weiter Ferne: https://de.statista.com/infografik/27833/vergleich-des-aktuellen-stands-der-energiewende-mit-den-zielen-der-bundesregierung-fuer-2030/

[6] VDV (2022), Bilanz zum 9-Euro-Ticket: https://www.vdv.de/bilanz-9-euro-ticket.aspx

[7] Das Erste (2022), Deutsche Bahn: Schienennetz vor dem Zusammenbruch: https://daserste.ndr.de/panorama/archiv/2022/Deutsche-Bahn-Schienennetz-vor-dem-Kollaps,bahnchaos134.html

[8] eurotransport.de (2022), Deutschlands Eisenbahnen sind eine Tragödie: https://www.eurotransport.de/artikel/neubaustrecken-im-promillebereich-trauerspiel-schiene-11216298.html

Mit Mitteln der Europäischen Union gefördert. Die zum Ausdruck gebrachten Ansichten und Meinungen sind jedoch rein die der Autoren und spiegeln nicht unbedingt die der Europäischen Union oder der Europäischen Kommission wider. Weder die Europäische Union noch die fördernde Behörde kann dafür haftbar gemacht werden.