Deutschland

Überblick Monitor soziale Rechte

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Überblick Monitor soziale Rechte

Laut dem Bericht der National Strategy Group (NSG) unter Leitung der Willi-Eichler-Akademie (WEA) hat Deutschland im vergangenen Jahr durch Gesetzesreformen und neue Initiativen Fortschritte in den Bereichen Gleichstellung, Bildung und Sozialschutz erzielt. Das Land sah sich jedoch auch mit beträchtlichen Herausforderungen konfrontiert, darunter anhaltenden geschlechtsspezifischen Ungleichheiten, Wohnungsmangel und Problemen bei der Eingliederung von Migrant*innen und vulnerablen Bevölkerungsgruppen. Während es bei der digitalen Bildung und der Gleichstellung der Geschlechter Fortschritte gab, wiesen Kritiker*innen auf Lücken bei der Umsetzung und Durchsetzung von Maßnahmen hin. Darüber wurde im Zusammenhang mit Deutschlands ehrgeizigen Ziele in Bezug auf die Energiewende und den Initiativen für eine nachhaltige Mobilität deutlich, dass es immer noch schwierig ist, diese Vorhaben sozialverträglich und wirtschaftlich gerecht zu gestalten, was die Notwendigkeit umfassenderer und integrativerer Maßnahmen unterstreicht.

Chancengleichheit und Zugang zum Arbeitsmarkt

Punktzahl 47

Chancengleichheit und Zugang zum Arbeitsmarkt

Geschlechtergleichheit

Laut Bericht der NSG hat Deutschland im vergangenen Jahr durch Gesetzesreformen und gezielte Initiativen Fortschritte bei der Gleichstellung von Frauen und Männern gemacht und damit sein internationales Ranking verbessert. Diese Fortschritte riefen jedoch auch Kritik hervor und führten zu Herausforderungen.Dies betraf insbesondere das neue Selbstbestimmungsgesetz für Transgender-Personen und anhaltende Probleme in anderen Bereichen der Geschlechtergleichstellung. Deutschland ist im Global Gender Gap Report 2023 auf Rang 6 aufgestiegen, eine deutliche Verbesserung von Platz 10 im Vorjahr. Diese Verbesserung wurde durch eine höhere Geschlechterparität in den Bundesministerien[1]und einen höheren Anteil von Frauen in Spitzenpositionen in Unternehmen[2],insbesondere in den Bereichen Gesundheit und Bildung, erreicht.[3] Kritiker argumentieren jedoch, der Global Gender Gap Report erfasse weiterhin bestehende Probleme wie das geschlechtsspezifische Lohngefälle und die Unterrepräsentation von Frauen in bestimmten hochrangigen Wirtschaftssektoren und MINT-Bereichen nicht vollständig. Die NSG hebt hervor, in diesen Bereichen seien für nachhaltige Fortschritte gezieltere Maßnahmen und eine konsequentere Überwachung notwendig. Deutschland hat zwar mehr Quoten eingeführt, um die Gleichstellung der Geschlechter zu erreichen, allerdings gibt es immer noch keine Instrumente zur Überwachung und Durchsetzung dieser Quoten in privaten Unternehmen. Darüber hinaus hat die Gewalt gegen LGBTQI+-Personentrotz der Fortschritte in der Gesetzgebung zugenommen: 2022 wurden über 1.400 Fälle von Hass-Kriminalität gemeldet.[4] Deutschland habe mehrere von der OECD empfohlene Initiativen zur Förderung der Geschlechtergleichstellung aktiv umgesetzt, darunter Gender Mainstreaming und Gender Budgeting, die Ermutigung von Vätern, Elternzeit zu nehmen, und die Durchsetzung von Maßnahmen zur Lohntransparenz, so die OECD[5]Kritiker*innen stellen jedoch fest, dass zwischen den formulierten Zielen der Maßnahmen und ihrer Umsetzung erhebliche Lücken bestünden. Gesellschaftliche Normen und die Kultur am Arbeitsplatz halten Männer oft davon ab, einen längeren Elternurlaub zu nehmen, und obwohl Maßnahmen zur Lohntransparenz einen Fortschritt darstellen, bleibt das geschlechtsspezifische Lohngefälle bestehen. Strukturelle Veränderungen in der betrieblichen Praxis und eine stärkere Durchsetzung der Gesetze zur Lohngerechtigkeit sind notwendig, um diese Probleme umfassend anzugehen.

Deutschland hat seine Bemühungen zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt, insbesondere gegen LGBTQI+-Personen, durch Initiativen wie Schulungen zur Prävention von LGBTQI+-Hasskriminalität verstärkt. Die bereits früher eingeführte Bestimmung von Ansprechpartner*innen in den Polizeidienststellen gilt weiterhin als bewährte Praxis.[6] Es bestehen jedoch nach wie vor Bedenken hinsichtlich der Angemessenheit und Kohärenz dieser Schulungsprogramme und der ungleichen Verfügbarkeit von Unterstützungsdiensten in den verschiedenen Regionen. Angesichts der zunehmenden Hasskriminalität gegen LGBTQI+-Personen und Frauen ist die Auseinandersetzung mit diesen Themen nach wie vor von entscheidender Bedeutung.

2023 führte das Bundesland Bayern ein umstrittenes „Gender-Verbot“ ein, das die Verwendung geschlechtsneutraler Sprache in der amtlichen Kommunikation und im Unterricht verbietet.[7] Diese Maßnahme wurde wegen ihres ausgrenzenden und diskriminierenden Charakters, insbesondere gegenüber Frauen, nicht-binären und Transgender-Personen, kritisiert. Kritiker*innen argumentieren, das Verbot behindere integrative Bildungs- und Sensibilisierungsmaßnahmen, entspreche nicht den Grundsätzen der Menschenrechte und stelle einen Rückschritt in einer Kulturlandschaft dar, in der viele Regionen eine größere Akzeptanz der Geschlechtervielfalt anstreben. Im April 2024 wurde in Deutschland das Selbstbestimmungsgesetz in Bezug auf das eingetragene Geschlecht(SBGG) verabschiedet, welches Personen ermöglicht, ihr rechtliches Geschlecht auf der Grundlage einer Selbsterklärung ohne medizinische oder psychologische Untersuchung zu ändern. Dies wurde als bedeutender Fortschritt für die Rechte von Transgender- und nicht-binären Personen begrüßt, da damit internationale Menschenrechtsstandards erfüllt werden.[8] Das Gesetz stieß jedoch auf erhebliche Kritik, z. B. dass die Gefahr eines Missbrauchs des Gesetzes bestehe. Außerdem wurden Bedenken hinsichtlich der Privatsphäre von Transgenderpersonen gegenüber öffentlichen Behörden und der Sicherheit in nach Geschlechtern getrennten Räumen geäußert. Darüber hinaus sind einige Expert*innen der Ansicht, dass die Abschaffung der obligatorischen Beurteilungen dazu führen könnte, dass weniger Personen während der Transition die umfassende medizinische und psychologische Unterstützung erhalten, die sie benötigen.

Das deutsche Recht kriminalisiert darüber hinaus nach wie vor den Schwangerschaftsabbruch, der nach §218 im Strafgesetzbuch formal illegal ist. Davon ausgenommen sind Fälle, in denen die Frau Opfer einer Vergewaltigung war, ihr Leben in Gefahr ist, und wenn der Abbruch innerhalb den ersten 12 Wochen der Schwangerschaft nach ärztlicher Beratung vorgenommen wird. Obwohl der Schwangerschaftsabbruch im Strafgesetzbuch aufgeführt und damit formal illegal ist, gibt es keine Hinweise auf rechtliche Konsequenzen für Personen, die sich unter den oben genannten Umständen für einen Abbruch entscheiden.[9] Aktivist*innen fordern seit langem die vollständige Entkriminalisierung der Abtreibung mit dem Argument, dass der derzeitige Status Frauen stigmatisiere und ihre reproduktive Entscheidungsfreiheit beschränke. Trotz der zunehmenden Unterstützung in der Bevölkerung gibt es weiterhin Widerstand gegen die Entkriminalisierung von konservativer und religiöser Seite. Kritiker*innen weisen darauf hin, Deutschland bleibe hinter anderen europäischen Ländern mit fortschrittlicheren Abtreibungsgesetzen zurück, die zu besseren gesundheitlichen Ergebnissen für Frauen führen.[10] Die Expert*innen der Regierungskommission für reproduktive Entscheidungsfreiheit und Reproduktionsmedizin haben Deutschland geraten, den Schwangerschaftsabbruch innerhalb der ersten 12 Wochen zu legalisieren. 

Allgemeine und berufliche Bildung und lebenslanges Lernen

Die Bildungslandschaft in Deutschland hat sich als Reaktion auf die Anforderungen des Arbeitsmarkts und den technologischen Fortschritt stark verändert. Der Bildungssektor steht allerdings vor großen Herausforderungen, insbesondere Haushaltskürzungen, die sich auf kritische Bereiche auswirken. Deutschlands Vorstoß für eine digitale Inklusion im Bildungswesen durch die Initiative DigitalPakt Schule verbesserte die digitale Infrastruktur und die Lesekompetenz. Trotz positiver Rückmeldungen des Bildungsministeriums in den Jahren 2022 und 2023 bestehen jedoch weiterhin regionale Ungleichheiten beim Online-Zugang, insbesondere in ländlichen Gebieten.[11] Da die Finanzierung der Initiative im Mai 2024 ausgelaufen ist und andere Initiativen noch diskutiert werden, befürchten Fachleute, dass eine Finanzierungslücke den digitalen Fortschritt in den Schulen aufhalten könnte.[12]

Deutschlands Engagement für integrative Bildung steht angesichts von Berichten über Mittelknappheit und Umsetzungsproblemen auf dem Prüfstand. Trotz der Aufstockung der Mittel für die Sonderpädagogik und die Ausbildung von Lehrerkräften stellt sich weiterhin die Frage nach der Wirksamkeit dieser Maßnahmen. Die Kürzungen des Budgets für Demokratieerziehung gaben Anlass zur Sorge über die Förderung eines integrativen und demokratischen Lernumfelds. Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages hat eine vorgeschlagene Kürzung des Kinder- und Jugendplans (KJP) für 2024 um 44,6 Millionen Euro rückgängig gemacht und stattdessen die Mittel um 4,5 Millionen Euro erhöht. Die Entscheidung wurde getroffen, nachdem die darauf hingewiesen wurde, dass die Unterstützung für Kinder und Jugendliche aufrechterhalten werden muss, insbesondere in schwierigen Zeiten, die eine politische Bildung und die Stärkung demokratischer Werte erfordern.[13] Die NSG weist darauf hin, dass das jüngste Verbot der geschlechtsneutralen Sprache in bayerischen Schulen und Universitäten genderspezifische Vorurteile aufrechterhält, die Inklusion behindert und die Bemühungen um ein fortschrittliches und einladendes Bildungsumfeld untergräbt. Darüber hinaus gefährden Sparmaßnahmen, insbesondere solche, die sich auf die Demokratieerziehung auswirken, ganzheitliche Bildungsansätze, die darauf abzielen, Ungleichheiten zu beseitigen und die Widerstandsfähigkeit von Bildungsinitiativen angesichts der sich wandelnden Anforderungen zu gewährleisten.

 

Bewährte Verfahren

Mit der im Juli 2023 in Kraft getretenen Reform des Bürgergelds wurden die Weiterbildungs- und Umschulungsangebote deutlich ausgeweitet. Zusätzlich zum regulären Satz des Bürgergelds wurde ein monatliches Weiterbildungsgeld von 150 € für Personen in beruflicher Ausbildung und ein Bonus von 75 € für die Teilnahme an wichtigen Integrationsprogrammen eingeführt. Umschulungsprogramme werden nun zusätzlich zur regulären Entwicklung des Bürgergelds vollständig durch den Zuschuss abgedeckt. Dadurch können Arbeitslose nun neue Ausbildungsprogramme beginnen, ohne finanzielle Instabilität befürchten zu müssen. Dadurch verbessern sich ihre Chancen auf einen Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt auf Basis einer stabilen Ausbildung.[14]

 

Inklusion von Migrant*innen, Geflüchteten, Asylbewerber*innen, Minderheiten und vulnerablen Gruppen

Die Beschäftigungsquote von geflüchteten Menschen in Deutschland verbessert sich tendenziell mit der Dauer ihres Aufenthalts, berichtet die NSG. Trotz eines Rückgangs während der ersten Welle der Coronapandemie ist der Trend weiterhin positiv. Eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat ergeben, dass 64 % der im Jahr 2015 angekommenen Geflüchteteneinen Arbeitsplatz haben und fast drei Viertel von ihnen in Vollzeit arbeiten. Nach acht Jahren sind 86 % der geflüchteten Männer erwerbstätig und übertreffen damit den Durchschnitt der deutschen Männer (81 %). Allerdings sind nur 33 % der geflüchteten Frauen erwerbstätig. Die meisten erwerbstätigen Menschen mit Fluchtgeschichte haben einen Arbeitsplatz, der eine bestimmte Qualifikation voraussetzt, viele arbeiten allerdings unterhalb ihres Ausbildungsniveaus. Mehr als die Hälfte arbeiten als Facharbeiter*innen, und eine wachsende Zahl schließt eine Hochschulausbildung ab und sichert sich eine entsprechende Stelle. Obwohl sich die Beschäftigungsquote von Geflüchteten im Laufe ihres Aufenthalts in Deutschland verbessert hat, bestehen nach wie vor geschlechtsspezifische Unterschiede und auch nach mehreren Jahren des Aufenthalts ist es für Frauen schwerer eine Stelle zu finden als für Männer.[15] Kinder mit und ohne Migrationshintergrund nehmen bereits in der frühen Kindheit in unterschiedlichem Maße an Bildungsprogrammen teil, und diese Kluft bleibt während des gesamten Lebens bestehen. Junge Erwachsene mit Migrations- oder Fluchthintergrund erreichen in Deutschland seltener einen höheren Bildungsabschluss und viele, die als Jugendliche oder junge Erwachsene zugewandert sind, verlassen die Schule ohne Abschluss.[16] Obwohl die Bildungsbeteiligung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Migrationshintergrund im Jahr 2022 höher war als 2013, liegt sie immer noch hinter der Beteiligung der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund zurück. Die NSG stellt einen Trend zu höheren Schulabschlüssen bei 15-Jährigen fest, insbesondere bei Mädchen mit Migrationshintergrund. Auch die Beteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund an der Hochschulbildung hat in den letzten Jahren bei beiden Geschlechtern zugenommen, wobei sie bei Frauen weiterhin höher ist als bei Männern.[17]

Die Einstellung zur Zuwanderung in Deutschland ist ambivalent, wie aus einem Bericht der Bertelsmann-Stiftung hervorgeht. Die Bedenken angesichts möglicher negativer Auswirkungen, wie z. B. höhere Wohlfahrtskosten, Wohnungsnot und Probleme in den Schulen, nehmen zu.[18] Die Mehrheit der Befragten ist jedoch der Meinung, dass sowohl die staatlichen Stellen als auch die Bevölkerung einwandernden Menschen, die Arbeit oder Ausbildung suchen, offen gegenüberstehen. Unter den Geflüchteten nehmen 67 % die lokalen Behörden als offen ihnen gegenüber war, 53 % empfinden das Gleiche in Bezug auf die allgemeine Öffentlichkeit.

[1] Bundesregierung von Deutschland (2024): das derzeitige Kabinett.  https://www.bundesregierung.de/breg-en/federal-cabinet

[2] John Silk/ DW-Menschenrechte (2023): Deutschland auf Platz 6 der Gleichstellungsliste, Island bleibt an der Spitze

 https://www.dw.com/en/germany-up-to-6th-in-gender-equality-list-iceland-stays-top/a-65988813

[3] Europäisches Institut für Gleichstellungsfragen (2023): Gesundheit und Wissen in Deutschland 2023. https:// eige.europa.eu/gender-equality-index/2023/domain/health/DE, https://eige.europa.eu/gender-equality-index/2023/domain/knowledge/DE

[4] Human Rights Watch (2024): Deutschland: Richtungsweisendes Votum für Trans-Rechte-Gesetz. https://www.hrw.org/news/2024/04/12/germany-landmark-vote-trans-rights-law

[5] OECD (2023), Joining Forces for Gender Equality: What is Holding us Back? 67d48024-de.pdf (oecd-ilibrary.org)

[6] Human Rights Watch (2024): Deutschland: Richtungsweisendes Votum für Trans-Rechte-Gesetz. https://www.hrw.org/news/2024/04/12/germany-landmark-vote-trans-rights-law

[7] DW (2024): Bayern geht gegen gendergerechte Sprache vor. https://www.dw.com/en/germanys-bavaria-sets-limits-on-gender-inclusive-language/a-68618217

[8] Bundesverband Trans*Menschen (2024), Selbstbestimmungsgesetz im Bundestag verabschiedet. https://www.bundesverband-trans.de/self-determination-act-passed-german-parliament/

[9] ProFamilia (2024), Schwangerschaftsabbruch: https://www.profamilia.de/en/topics/abortion

[10] Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2022): Schwangerenberatung. https://www.bmfsfj.de/resource/blob/95278/fdba45aef3ce5557eb1720aa3e215ac8/schwangerschaftsberatung-218-englisch-data.pdf

[11] Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft (2023): Fortschrittsbericht DigitalPakt. https://www.digitalpaktschule.de/de/fortschrittsbericht-zum-digitalpakt-schule-2022-2023-1863.html

[12] Deutsches Schulportal, Robert Bosch Stiftung (2024): DigitalPakt 2.0 - Kultusminister kritisieren Angebot des Bundes https://deutsches-schulportal.de/bildungswesen/was-hat-der-digitalpakt-schule-bislang-gebracht/

[13] Vereinigung für kulturelle Bildung (2023): Bundestagsausschuss macht Kürzungen beim KJP rückgängig.   https://www.bkj.de/news/bundestagsausschuss-macht-kuerzungen-im-kjp-rueckgaengig/ 

[14] Bundesagentur für Arbeit (2023), Bürgergeld: Zweite Stufe der Reform beginnt im Juli 2023: https://www.arbeitsagentur.de/presse/2023-31-buergergeld-die-zweite-stufe-der-reform-startet-am-01-juli-2023

[15] Institut für Arbeitsmarktforschung (2024),IAB-Kurzbericht: https://doku.iab.de/kurzber/2024/kb2024-10.pdf#page=2

[16] Sachverständigenrat für Integration und Migration (2024), Entwicklungen in Migration und Integration 2019 - 2024:  https://www.svr-migration.de/wp-content/uploads/2024/05/SVR-Factsheet-zum-Jahresgutachten-2024.pdf

[17] Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (2024), Potenziale und Herausforderungen: Neue Publikation verdeutlicht die Vielfalt der Bevölkerung mit Migrationshintergrund in Deutschland: https://www.bib.bund.de/DE/Presse/Mitteilungen/2024/2024-02-14-Potenziale-und-Herausforderungen-Vielfalt-der-Bevoelkerung-mit-Migrationshintergrund-in-Deutschland.html

[18] Bertelsmann Stiftung (2024), Skepsis gegenüber Migration nimmt zu, aber Offenheit gegenüber Zuwanderern bleibt stabil: https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen/2024/maerz/migrationsskepsis-steigt-offenheit-fuer-zugewanderte-menschen-bleibt-dennoch-stabil

Faire Beschäftigungsbedingungen

Punktzahl 53

Faire Beschäftigungsbedingungen

Work-Life-Balance /Vereinbarkeit

Die Teilnehmenden des Work Happiness Report 2024, der die Arbeitszufriedenheit auf einer Skala von eins bis zehn misst, gaben in Deutschland einen Durchschnittswert von 6,9 an. Dies entspricht einem Anstieg von 0,2 Punkten gegenüber 2023.[1] Der Bericht stellt fest, dass immer mehr Unternehmen die Vier-Tage-Woche einführen oder mit ihr experimentieren, eine von den Arbeitnehmenden positiv aufgenommene Initiative. Diejenigen, die nach diesem Plan arbeiten, gaben mit 7,6 die höchste Zufriedenheitsnote von allen Gruppen an. Hybride Arbeitsmodelle, bei denen die Beschäftigten teilweise oder ganz von zu Hause aus arbeiten, sind weit verbreitet: 8 von 10 Befragten äußerten sich zufrieden damit. Ein erheblicher Teil der Unzufriedenheit der Mitarbeiter hängt mit Geschäftsführung, Teamkultur und Kommunikation zusammen. Die Zufriedenheit ist in moderneren Sektoren wie dem Technologiesektor höher als in traditionellen Sektoren wie dem Finanzsektor. Die NSG betont, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, insbesondere für Familien, von entscheidender Bedeutung ist. Im Bericht wird darauf hingewiesen, dass Regierungen dies durch flexible Arbeitsmodelle unterstützen könnten.[2] Lange Arbeitszeiten wirken sich negativ auf die Gesundheit aus und erhöhen den Stress. In Deutschland arbeiten nur 3,9 % der Beschäftigten 50 Stunden oder mehr pro Woche - dies liegt unter dem OECD-Durchschnitt von 10,2 %. Arbeitnehmer*innen in Deutschland haben mehr Freizeit als der Durchschnitt und ein höheres allgemeines Wohlbefinden.

Das deutsche Memorandum „Familie und Arbeitswelt - die NEUE Vereinbarkeit“ aus dem Jahr 2015 baut auf früheren Kapiteln des Unternehmensnetzwerks Success Factor Family[3] auf und zielt darauf ab, Fortschritte bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu messen, Herausforderungen zu identifizieren und Leitlinien festzulegen. Es fördert die gleichberechtigte Teilhabe von Männern und Frauen am Arbeitsmarkt, ermutigt Arbeitgeber, flexible Arbeitszeiten und eine qualitativ hochwertige Kinderbetreuung anzubieten und beinhaltet eine Reform des Elternurlaubs. Die Reform erleichtert die Teilzeitarbeit und bietet finanzielle Anreize für alle Partner*innen bis zum 8. Geburtstag des Kindes, mindestens vier Monate lang nur 25-30 Stunden pro Woche zu arbeiten.[4] Zu den jüngsten Änderungen am deutschen Elterngeldsystem, die im April 2024 in Kraft getreten sind, gehört die Senkung der Einkommensgrenze für Paare und Alleinerziehende auf 200.000 Euro pro Jahr, wodurch Besserverdienende von den Leistungen ausgeschlossen werden. Die Einkommensgrenze wird ab April 2025 weiter auf 175.000 € gesenkt. Diese Änderungen bedeuten, dass einige Eltern mit höherem Einkommen nicht mehr länger zu Hause bleiben und weiterhin Elterngeld beziehen können, als andere. Die Standardbeihilfe - für Eltern unterhalb dieser Schwellenwerte wird weiterhin für 14 Monate gewährleistet, jedoch können berechtigte Eltern nur für einen Monat im ersten Lebensjahr des Kindes gleichzeitig Beihilfen beziehen. Ausnahmen bestehen bei Mehrlings- oder Frühgeburten und bei Kindern mit Behinderung. Mit der Initiative sollen bis 2026 jährlich 250 Millionen Euro eingespart werden.[5]

[1] Blanco Ucles (2024), Studie: Deutsche Arbeitnehmer glücklicher als im Jahr 2023 - Heimarbeit ein wichtiger Faktor: https://www.merkur.de/leben/karriere/homeoffice-vier-tageswoche-work-happiness-report-studie-arbeitnehmer-gluecklich-zufrieden-zr-93013794.html

[2] IFO Institut (2024), Heimarbeit in Deutschland fest etabliert: https://www.ifo.de/en/facts/2024-03-04/working-home-firmly-established-germany

[3] Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend/Erfolgsfaktor Familie (2015), Familie und Beruf erfolgreich vereinbaren: https://www.bmfsfj.de/resource/blob/93930/23bbdbb1475ebb985f533855596d762d/geht-doch-magazin-erfolgsfaktor-familie-ausgabe-4-data.pdf  

[4] OECD Better Life Index: Work-Life-Balance Deutschland. https://www.oecdbetterlifeindex.org/de/topics/work-life-balance-de/#:~:text=In%20Germany%20have%203%2C9

[5] Tagesschau (2024), Neues aus der Elternzeit: https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/elterngeld-120.html

Sozialschutz und Inklusion

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Sozialschutz und Inklusion

Wohnen

Die Wohnungssituation in Deutschland steckt in einer schweren Krise. In den Großstädten fehlen rund 1,9 Millionen bezahlbare Sozialwohnungen. Die Bautätigkeit ist deutlich zurückgegangen und Prognosen für 2024 deuten darauf hin, dass nur 177.000 neue Wohnungen fertiggestellt werden. Eine Zahl, die deutlich unter dem jährlichen Ziel von 400.000 liegt. Zu den beitragenden Faktoren gehören steigende Baukosten und Zinsen, die das Missverhältnis zwischen Wohnungsangebot und -nachfrage verschärfen. Während die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum steigt, ist ein besorgniserregender realer Rückgang der staatlichen Subventionen für den Wohnungsbau zu verzeichnen. Die Immobilienbranche schlägt wegen des starken Rückgangs im Wohnungsbau Alarm, und führt als Gründe dafür erschwerende staatliche Auflagen und unzureichende Hilfen an. Prognosen gehen bis 2027 von einem Defizit von 830.000 Wohnungen aus (derzeit fehlen 600.000 Wohnungen außerhalb des sozialen Wohnungsbaus), was die bestehenden sozialen Probleme noch verschärfen könnte. Die Prognose des Ifo-Instituts, wonach die Zahl der Wohnungsneubauten bis 2026 jährlich um 35 % zurückgehen wird, unterstreicht den Ernst der Lage.[1] Jüngste Zahlen zeigen, dass die Genehmigung für neue Wohnungen deutlich zurückgegangen ist, insbesondere bei Mehrfamilienhäusern. Der Rückgang spiegelt den anhaltenden Kampf um die Deckung des Wohnungsbedarfs inmitten der regulatorischen und wirtschaftlichen Herausforderungen wider.[2] Es zeichnen sich einige vielversprechende Lösungen für die Herausforderungen im Wohnungsbau ab, wie z. B. modulares Bauen aus Fertigteilen, mit dem sich bis zu 10 % der Kosten einsparen lassen. In Städten wie München haben kommunale Initiativen die Ziele für den Wohnungsbau übertroffen.

Zur Bewältigung der Herausforderungen im Bereich Wohnen fordert die NSG koordinierte Anstrengungen von Regierung, Bauunternehmen, Städten, Gemeinden und anderen Akteuren in diesem Sektor.[3] Die Bundesregierung will die Wohnflächen unter anderem durch folgende Maßnahmen erhöhen: kommunale Vorkaufsrechte zum Schutz von Mieter*innen, steuerliche Anreize für gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaften, Bekämpfung der Obdachlosigkeit mit einem nationalen Aktionsplan bis 2030, Förderung des seriellen Wohnungsbaus zur Beschleunigung und Kostensenkung und Einführung von Sonderregelungen zur Beschleunigung von Wohnungsbauprojekten auf angespannten Märkten.[4]

[1] ZDF Heute (2024), "Wer heute baut, ist bankrott": https://www.zdf.de/nachrichten/wirtschaft/immobilien-ausschuss-wohnungsmangel-deutschland-102.html

[2] DeStatis (2024), Baugenehmigungen für Wohnungen im Februar 2024: -18,3 % gegenüber dem gleichen Monat des Vorjahres: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2024/04/PD24_156_3111.html#:~:text=WIESBADEN%20%E2%80%93%20Im%20Februar%202024%20wurde,weniger%20als%20im%20Februar%202023

[3] ToPeople Frankfurt (2024), Der Wohnungsbau in Deutschland im Jahr 2024: eine Krise in Sicht? https://www.topeople.de/post/wohnungsbau-in-deutschland-2024-eine-krise

[4] Höcke (2024), Pläne der Regierungen für den Wohnungsbau im Jahr 2024: https://www.demo-online.de/artikel/ampel-2024-baupolitik-plant

Raum für bürgerliches Engagement

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Raum für bürgerliches Engagement

Der CIVICUS Monitor hat 2023 den zivilgesellschaftlichen Raum in Deutschland von seit 2018 „offen“ auf „beeinträchtigt“ herabgestuft.[1] Diese Herabstufung auf „beeinträchtigt“ weist darauf hin, dass Einzelpersonen und zivilgesellschaftliche Organisationen zwar ihr Recht auf Vereinigungsfreiheit, friedliche Versammlung und freie Meinungsäußerung wahrnehmen können, diese Rechte jedoch häufig durch Schikanen, Verhaftungen oder Angriffe auf Kritiker*innen der Machthaber sowie durch übermäßige Gewalt bei Protesten und politischen Druck auf die Medien verletzt werden. Der Verlust der Offen-Einstufung ist vor allem auf eine große Zahl von Angriffen auf Journalist*innen und die Anwendung von übermäßiger Gewalt gegen Umweltaktivisti zurückzuführen.

Zivilgesellschaftlicher Dialog und demokratische Teilhabe

Das politische Engagement in Deutschland konnte zwar Fortschritte verzeichnen, eine gerechte Vertretung und die Einbeziehung aller Stimmen zu gewährleisten, bleibt jedoch eine Herausforderung. Im vergangenen Jahr hat das politische Engagement aufgrund der Europa- und Regionalwahlen zugenommen, aber einige Gruppen sahen sich bei ihren Bemühungen um eine sinnvolle Beteiligung an der politischen Entscheidungsfindung vor Herausforderungen gestellt. Im Vorfeld der Europawahlen stieg das politische Engagement in Deutschland sprunghaft an, da die Politiker*innen ihre Bemühungen um den Kontakt zu den Bürger*innen intensivierten. Dieser proaktive Ansatz zielte darauf ab, die Meinung der Wähler*innen zu beeinflussen und eine stärkere Beteiligung der Öffentlichkeit an der Gestaltung von Politik und Prioritäten zu fördern. Trotz der Kritik, dass diese Bemühungen strategisch auf die Wahlen abgestimmt waren, boten sie der Zivilgesellschaft wichtige Möglichkeiten, ihre Anliegen vorzubringen und die politische Entscheidungsfindung zu beeinflussen. Infolgedessen wuchs die Bürgerbeteiligung, der zivilgesellschaftliche Dialog nahm zu, und der öffentliche Austausch wurde intensiver.[2] Darüber hinaus beteiligte sich die Zivilgesellschaft in Deutschland aktiv an Veranstaltungen wie dem Petersberger Klimadialog im April 2024, der das Engagement des Landes bei der Bewältigung globaler Herausforderungen durch einen integrativen zivilen Dialog unterstrich. Diese Veranstaltung, an der Vertreter*innen aus über 40 Ländern teilnahmen, unterstrich die Rolle Deutschlands bei der Förderung der internationalen Zusammenarbeit in wichtigen Fragen wie dem Klimaschutz.[3] [4] uch die Nutzung digitaler Plattformen für den Bürgerdialog hat sich ausgeweitet und gestattet eine breitere Beteiligung an den Diskussionen der Zivilgesellschaft. Die NSG stellt fest, dass das Angebot, sich über digitale Plattformen an Veranstaltungen zu beteiligen, auch nach Ende der Corona-Pandemie hoch geblieben ist. Veranstaltungen zu einem Bürgerdialog mit hochrangigen deutschen Politiker*innen fanden anlässlich des Jubiläums 75 Jahre Grundgesetz statt. Aufforderungen zur Einreichung von Bewerbungen für das von der EU finanziertem Programm „Bürgerinnen und Bürger, Gleichstellung, Rechte und Werte“ (CERV) machten diese Initiativen auch in deutscher Sprache zugänglich.[5] [6]

Trotz dieser positiven Tendenzen fühlten sich bestimmte Gruppen in Deutschland weiterhin marginalisiert und vom zivilgesellschaftlichen Dialog ausgeschlossen. Aktivisti, die sich für einen Waffenstillstand in Palästina einsetzen, standen beispielsweise vor großen Herausforderungen, wenn es darum ging, sich Gehör zu verschaffen und sich Plattformen zu sichern, um gehört werden konnte. Obwohl diese Gruppen Streiks und Proteste organisierten, hatten sie oft Schwierigkeiten mit politischen Entscheidungsträger*innen in Kontakt zu treten oder in den Medien zu erscheinen, was eine erhebliche Lücke in der Inklusivität des zivilgesellschaftlichen Dialogs aufzeigt.[7] Kritiker*innen wiesen darauf hin, dass Online-Plattformen zwar die Zugänglichkeit verbessern, aber auch die Gefahr bergen, dass Menschen ohne zuverlässigen Internetzugang oder ohne digitale Kenntnisse ausgeschlossen werden. Darüber hinaus haben die Komplexität von Anträgen auf EU-Fördermittel und die bürokratischen Verfahren kleinere zivilgesellschaftliche Organisationen manchmal daran gehindert, die für eine umfassende Beteiligung an Initiativen des zivilgesellschaftlichen Dialogs - oder das bloße wirtschaftliche Überleben - erforderlichen Mittel zu erhalten.

[1] Civicus (2023), Deutschland: https://monitor.civicus.org/country/germany/

[2] Netzwerk Bürgerbeteiligung (2024), Netzwerktreffen Juni 2024: Neuer Handlungsspielraum für

Zivilgesellschaft, Verwaltung und Politik: https://www.netzwerkbuergerbeteiligung.de/netzwerkaktivitaeten-informationen/netzwerktreffen-termine/

[3] SDG Knowledge Hub (2024), 15. Petersberger Klimadialog: https://sdg.iisd.org/events/15th-petersberg-climate-dialogue/

[4] Table Briefings (2024), Petersberger Dialog: 40 Staaten und COP-Troika im April: https://table.media/en/climate/news/petersberg-climate-dialogue-40-states-and-cop-troika-in-berlin-on-april-25-and-26/

[5] Bundesregierung (2024), Bürgerdialog mit Bundeskanzler Scholz anlässlich des 75-jährigen Bestehens des Grundgesetzes: https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/75-jahregrundgesetz-buergerdialog-kanzler-dgs-2287776

[6] Dienstleistungszentrum CERV, Aufforderung zur Einreichung von Projektvorschlägen: https://www.kontaktstelle-cerv.de/aufrufe/kommunale-partnerschaften-37

[7] DW (2024), Deutsche Polizei schließt pro-palästinensische Konferenz ab: https://www.dw.com/en/german-police-shutdown-pro-palestinian-conference/a-68810306

Sozial gerechter grüner Wandel

Erreiche 50

Sozial gerechter grüner Wandel

Energieerschwinglichkeit und Armut

Die Bundesregierung bemüht sich um eine Beschleunigung der Energiewende bei der Verfolgung ihres Ziels, bis 2045 Klimaneutralität zu erreichen. Im Jahr 2023 hat Deutschland einen Meilenstein bei der Nutzung erneuerbarer Energien erreicht, indem fast die Hälfte des Stromverbrauchs aus erneuerbaren Quellen gedeckt wurde. Dies war der höchste Anteil, der jemals in Deutschland verzeichnet wurde und die Energie stammte überwiegend aus der gestiegenden Anzahl an Onshore-Windkraftanlagen. Die Stromerzeugung aus konventionellen Energieträgern, insbesondere Steinkohle und Braunkohle, ging zurück. Trotz der wetterbedingten Herausforderungen haben die laufenden Ausbaubemühungen den Anteil an Solarenergie erhöht. Die Bundesregierung reagiert auf die steigenden Kosten des Klimawandels mit erheblichen Investitionen in Anpassungsmaßnahmen und Klimaschutz, für die sie bis 2024 rund 49 Milliarden Euro aus dem Klima- und Transformationsfonds bereitstellt. Um den Ausbau der Solarenergie voranzutreiben, vereinfacht das Erneuerbare-Energien-Gesetz 2023 (EEG) die Genehmigungsverfahren für neue Anlagen und stellt mit dem Solarpaket I eine Reihe von Maßnahmen zur Vereinfachung der Vorschriften und zur Verbesserung der Solarenergiesysteme in Deutschland zur Verfügung.[1] Dies hat bereits zu zusätzlichen Solarkapazitäten im Jahr 2023 geführt und die Regierung strebt weitere Steigerungen bis zum Jahr 2030 an.

Der Krieg Russlands gegen die Ukraine hat in Deutschland und in der übrigen EU zu erheblichen Preissteigerungen geführt, insbesondere bei Energie und Lebensmitteln. Die Bundesregierung reagierte mit Entlastungspaketen, darunter die Ende 2023 ausgelaufene Energiepreisbremse. Im Anschluss daran trug der Wechsel zu alternativen Energieversorgern und die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien dazu bei, die Strom- und Gaspreise weiter zu senken. Die Energieeinsparungen der Haushalte und Unternehmen in den Jahren 2022 und 2023 trugen ebenfalls zu dieser Reduzierung bei. Darüber hinaus sind Stromkunden seit Juli 2022 von der EEG-Umlage befreit, was für einen durchschnittlichen Mehrpersonenhaushalt ein jährliches Ersparnis von rund 130 Euro bedeutet.

Die Energiewende in Deutschland steht jedoch vor einigen gesellschaftlichen Herausforderungen. Zum einen sind die steigenden Energiekosten zu einer Belastung für viele Haushalte geworden, insbesondere für Haushalte mit geringem Einkommen, und zweitens sind die Kosten der Energiewende ungleichmäßig verteilt: Einigeunternehmen und Haushalte werden von einem Teil der Kosten entlastet, während andere - insbesondere ärmere Haushalte - mehr zahlen müssen. [2]  Drittens können höhere Energiekosten die Lebensqualität vulnerabler Haushalte erheblich beeinträchtigen und sie zu schwierigen Entscheidungen zwischen Ausgaben zwingen.[3] Darüber hinaus sind Definition und Messung von Energiearmut nach wie vor komplex und es fehlt ein standardisierter Ansatz, um Faktoren wie gesundheitliche Auswirkungen und subjektive Erfahrungen einzubeziehen.[4] Obwohl das EEG darauf abzielt, die Erzeugung erneuerbarer Energien kosteneffizienter zu machen, bestehen weiterhin Bedenken hinsichtlich der gerechten Umsetzung der Maßnahmen.[5] Diese Aspekte unterstreichen die Notwendigkeit von Maßnahmen, die Fairness und soziale Gerechtigkeit bei der Energiewende in Deutschland gewährleisten.

Zugang zu nachhaltiger Mobilität und Verkehrsarmut

Im vergangenen Jahr hat Deutschland mehrere Entwicklungen im Bereich nachhaltige Mobilität angekündigt. Zum einen sollte mit dem Übergang vom 9-Euro-Ticket zum Deutschlandticket, das 2023 49 Euro pro Monat kostet, eine nachhaltige und bezahlbare Langzeitlösung für den öffentlichen Nahverkehr in ganz Deutschland mit bundesweiter Gültigkeit geschaffen werden. Der Praxistest erwies sich als erfolgreich. Das Deutschland-Ticket hat dazu beigetragen, die Zahl der Autofahrten zu verringern. Jedoch ist die zukünftige Finanzierung noch nicht gelöst. Darüber hinaus bestehen Bedenken hinsichtlich möglicher Kürzungen von Dienstleistungen aufgrund steigender Betriebskosten. Dies unterstreicht die Notwendigkeit einer verbesserten öffentlichen Verkehrsinfrastruktur und einer umfassenderen Berücksichtigung der Umweltauswirkungen des Verkehrs.[6] Die Bemühungen zur Verbesserung von nachhaltiger Mobilität, wie z. B. Investitionen in die Radverkehrsinfrastruktur und in Mitfahr-Lösungen, erleiden jedoch Rückschläge. So sieht der Bundeshaushalt 2024 beispielsweise erhebliche Kürzungen der Mittel für die Radverkehrsinfrastruktur vor. Es wird erwartet, dass diese Kürzungen die Fortschritte des Landes auf dem Weg zu mehr Fahrradfreundlichkeit behindern und lokale Mobilitätsinitiativen beeinträchtigen könnten.[7] Die aktuelle Debatte um den Ausbau der Autobahn 100 (A100) in Berlin verdeutlicht den städtebaulichen Konflikt zwischen dem Ausbau der Infrastruktur und dem Erhalt von Wohnungen und Kulturstätten. Der Bau könnte sich auf lebendige Kulturzentren und Clubs auswirken und hat massive Proteste hervorgerufen..[8]

Trotz der Bemühungen zur Förderung der Elektromobilität sind die Zulassungen von Elektrofahrzeugen in Deutschland Anfang 2024 deutlich zurückgegangen. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass die Regierung die steuerlichen Anreize für Elektrofahrzeuge im Dezember 2023 abrupt auslaufen ließ.[9]  Die Entscheidung Deutschlands, sich dem Vorschlag der EU zu widersetzen, Autos mit Verbrennungsmotoren ab 2035 zu verbieten, sorgte für Kontroversen. Die Bundesregierung führte Bedenken hinsichtlich der wirtschaftlichen Auswirkungen und der Bereitschaft von Alternativen wie Elektrofahrzeugen und synthetischen Kraftstoffen an und wies auf die Schwierigkeit hin, Umweltziele und wirtschaftliche Prioritäten in Einklang zu bringen.[10]

Bewährte Verfahren

Das Deutschlandticket fördert die nachhaltige Mobilität, indem es den öffentlichen Verkehr gegenüber dem Auto begünstigt und so Staus und Emissionen reduziert. Die landesweite Gültigkeit erhöht den Reisekomfort, aber das Ticket muss erschwinglicher gemacht werden, um seine Attraktivität zu erhöhen. Öffentliche Verkehrsnetze unterstützen die ökologische Nachhaltigkeit und verbessern die Lebensqualität, aber für ihren Erhalt und Ausbau, insbesondere in ländlichen Gebieten, ist eine langfristige Finanzierung entscheidend.

[1] Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (2024), Bundestag und Bundesrat beschließen das Solarpaket I: https://www.bmwk.de/Redaktion/EN/Pressemitteilungen/2024/04/20240426-bundestag-and-bundesrat-adopt-solar-package-i.html

[2] Bundesregierung (2024), Aktionsprogramm Klimaschutz 2030:

https://www.bundesregierung.de/breg-en/issues/climate-action

[3] Wille/Klimareporter (2021), Die Energiewende ist gesund: https://www.klimareporter.de/gesellschaft/die-energiewende-ist-gesund

[4] Epp/Universität Heidelberg (2017),Die Entwicklung der Energiearmut in Deutschland.

Eine kritische Diskussion von Messkonzepten:  https://www.uni-heidelberg.de/md/sai/wiw/masterarbeit_homepage.pdf

[5] Heindl et al./Economic Policy Journal (2014), Ist die Energiewende sozial gerecht: https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2014/heft/7/beitrag/ist-die-energiewende-sozial-gerecht.html

[6] ZDF Heute (2023), 100 Tage "Deutschlandticket" - 9 vs. 49 Euro: Kann das neue Ticket mithalten? https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/deutschlandticket-erfolg-9-euro-ticket-100.html

[7] Deutscher Fahrrad Bund (2023), Haushaltskürzungen für den Radverkehr im Bundeshaushalt gefährden die Klimaschutzziele: https://nrw.adfc.de/artikel/budgetkuerzung-bundeshaushalt-1

[8] RBB (2023), "Ein Innenstadtbereich ohne Clubs ist Berlin unwürdig": https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2023/05/weiterbau-a100-berlin-clubs-verdraengung-clubkultur-ostkreuz.html

[9] Bell/Carscoops (2024), EV Sales drop in Germany: https://www.carscoops.com/2024/04/q1-ev-sales-drop-14-1-percent-in-germany-tesla-sales-tumble-37-percent/

[10] Wehrmann/Clean Energy Wire (2024), Die deutschen Konservativen verstärken ihre Kritik an der für 2035 geplanten Abschaffung von Verbrennungsmotoren in der EU: https://www.cleanenergywire.org/news/germanys-conservatives-double-down-criticism-eus-planned-2035-combustion-engine-phase-out

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