Punktzahl: 50
Überblick Monitor soziale Rechte


Der Zeitraum 2024-2025 war für Deutschland turbulent. Die unzureichende Finanzierung von wichtigen sozialen und zivilgesellschaftlichen Organisationen hat zunehmend zu Problemen geführt. Insbesondere Wohlfahrtsverbände leiden unter den drastischen Kürzungen der staatlichen Zuschüsse und mussten ihre Aktivitäten zurückfahren. Zivilgesellschaftliche Organisationen sehen sich einem feindlichen politischen Umfeld gegenüber, und Organisationen, die abweichende Meinungen vertreten, wurden staatliche Zuschüsse verweigert. Die Migrationspolitik orientiert sich zunehmend am Bedarf des Arbeitsmarkts und hat die Lage für Menschen, die den Anforderungen nicht entsprechen, verschlechtert. Vom Erreichen der Geschlechtergleichstellung ist das Land noch weit entfernt: Das Lohngefälle besteht fort, und geschlechtsspezifische Gewalt hat ein Rekordniveau erreicht. Das soziale Sicherungssystem mit einem gesetzlichen Mindestlohn und Sozialleistungen verhindert nicht, dass Menschen in die Armut abrutschen. Die Zivilgesellschaft ist nach wie vor stark, sieht sich aber mit zunehmenden Herausforderungen konfrontiert, da sich der zivilgesellschaftliche Raum aufgrund fehlender institutioneller Sicherungsmaßnahmen immer weiter verengt.
Die NSG für Deutschland wurde von den SOLIDAR-Mitgliedern Willi Eichler Akademie und AWO international geleitet.
Punktzahl: 50
Chancengleichheit und Zugang zum Arbeitsmarkt
Investitionen in das Sozialsystem
Ein erheblicher Teil der Sozialdienste in Deutschland wird von gemeinnützigen Organisationen/Dienstleistern erbracht. Diese finanzieren sich auf unterschiedliche Weise. Zum einen durch Spenden und Schenkungen. Und darüber hinaus durch Soziallotterien - zum Beispiel Glückspirale, Aktion Mensch e.V. und die Deutsche Fernsehlotterie - und die Zuschläge auf Wohlfahrtsbriefmarken.[1] Gemeinnützige Wohlfahrtsverbände finanzieren sich auch durch Gebühren für Leistungen, die entweder direkt von den Leistungsempfängern gezahlt werden und anschließend (ganz oder teilweise) durch die Sozialversicherungssysteme erstattet werden, oder die von öffentlichen Trägern, zumeist Sozialversicherungsträgern, gezahlt werden.
Ein erheblicher Teil der Finanzierung der gemeinnützigen Organisationen stammt jedoch aus staatlichen Zuschüssen, die sich aus der gesetzlichen Verpflichtung des Staates ergeben, freie Träger der Wohlfahrtspflege zu unterstützen, damit die Menschen hochwertige Dienstleistungen erhalten. Die Finanzierung erfolgt sowohl durch den Bund als auch durch die Bundesländer. Im Bundeshaushalt 2025 sind 180 Milliarden Euro für Arbeit und Soziales vorgesehen,[2] davon fast 130 Milliarden Euro für Altersgeldzahlungen. Jedes Bundesland stellt seinen eigenen Haushalt mit den entsprechenden Mittelzuweisungen auf, so dass es Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern gibt. Es ist jedoch ein allgemeiner Trend zu Kürzungen bei den Mittel für Sozialdienste zu beobachten.
Nordrhein-Westfalen, das größte deutsche Bundesland, kann als Beispiel für einen bundesweiten Trend dienen. Der ursprüngliche Haushaltsplan für 2025 sah Kürzungen in Höhe von 83 Millionen Euro für ein breites Spektrum von Sozialdiensten vor.[3] Nach Protesten von mehr als 32 000 Menschen im November 2024 wurden die Kürzungen im Sozialbereich auf 40 Millionen Euro reduziert. Die beschlossenen Kürzungen bedeuten für viele Wohlfahrtsverbände große finanzielle Einbußen. Über lange Zeit wurden insbesondere Kürzungen bei Leistungen für besonders schutzbedürftige Gruppen - darunter Suchtberatung, Lebenshilfe und Schuldnerberatung - diskutiert, was zu einem hohen Maß an Unsicherheit für die Organisationen führte, die solche Dienste anbieten. Wichtige Eingliederungshilfen für Menschen mit Behinderung unter anderem in den Bereichen Beschäftigung,[4] Beratung und Gesundheit wurden um 40 bis 60 % gekürzt.[5] Die staatlichen Mittel für HIV-Präventionsprogramme wurden um 35 % und die Finanzierung für Schuldnerberatungsdienste um fast zwei Drittel gekürzt.[6] Erhebliche Kürzungen gab es auch bei Programmen für Familien und Jugendliche, unter anderem bei Programmen zu Familienbildung, Schwangerschaftsberatung und zur Unterstützung junger Menschen beim Übergang ins Arbeitsleben wie „Kein Abschluss ohne Anschluss“.[7]
Für Dienste wie Tagesbetreuung, die dringend Investitionen benötigen, um ihr Angebot erweitern zu können, wurden die Zuschüsse nur in Höhe der Inflation erhöht. Im September und Oktober 2024 kam es an vielen öffentlichen Kindertagesstätten zu Streiks, mit denen bessere Arbeitsbedingungen gefordert wurden.[8] Die Streikenden forderten bessere Bezahlung und eine Aufstockung der Belegschaft an den vom chronischen Fachkräftemangel betroffenen Kitas. Für die Ausbildung von Altenpflegekräfte wurden zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt, die finanzielle Förderung von Infrastruktur, ambulanter Pflege und Pflegekräften wurde jedoch erheblich gekürzt.[9]
Auch wenn die meisten der vorgesehenen Kürzungen im Sozial- und Gesundheitsbereich nach Protesten zurückgenommen wurden, zeigt die Tatsache, dass im Haushaltsjahr 2024 statt der geplanten 36,84 % des Bundeshaushalts 38,25 % für Arbeit und Soziales ausgegeben wurden, den zunehmenden Bedarf an Sozialausgaben, die in diesem Fall gerade ausreichten, um die durch die Inflation steigenden Kosten für Verbraucher*innen zu decken. Trotzdem wurden 2025 die bundesweiten Ausgaben für Arbeit und Soziales auf 37,88 % festgelegt.[10]
Umgang mit Migrant*innen, Geflüchteten, Asylbewerber*innen und Minderheiten
Die deutsche Migrationspolitik hat seit April 2024 einen neuen Kurs eingeschlagen. Zum einen wurden Maßnahmen eingeführt, um die Einwanderung von Fachkräften zu fördern. Andere Maßnahmen haben die Lage anderer Migrantengruppen jedoch verschlechtert. Zu diesen Maßnahmen gehört das Rückführungsverbesserungsgesetz, das im Februar 2024 in Kraft trat.[11] Damit wurde die Höchstdauer des Ausreisegewahrsams von 10 auf 28 Tage verlängert und die Verpflichtung, die Betroffenen einen Monat vor der Abschiebung zu benachrichtigen, außer im Falle von Familien mit kleinen Kindern abgeschafft.[12] Die Behörden haben jetzt auch mehr Befugnisse, um Personen ausfindig zu machen, die sie abschieben wollen. Das Gesetz hat auch Auswirkungen auf Asylbewerber*innen, die sich legal in Deutschland aufhalten. Die Höchstdauer des Bezugs von reduzierten Sozialleistungen wurde von 18 Monaten auf 36 Monate verdoppelt.[13] Das von der neuen Bundesregierung eingebrachte Gesetz verkürzt die Wartezeit auf den Arbeitsmarktzugang für Asylbewerber*innen, die nicht zum Wohnen in einer Aufnahmeeinrichtung verpflichtet sind, auf drei Monate und erleichterte ihnen damit den Zugang zum Arbeitsmarkt.[14] Die Wartezeit für Asylbewerber*innen in Aufnahmeeinrichtungen beträgt 6 Monate. Mehrere Bundesländer haben außerdem Bezahlkarten als Ersatz für Geldleistungen eingeführt.[15] Dabei handelt es sich um Prepaid-Karten, mit denen Asylbewerber*innen und Geduldete bezahlen können. Damit sollen Transfers der Sozialleistungen in die Herkunftsländer verhindert werden. Expert*innen zweifeln jedoch an dem Erfolg dieser Maßnahme und verweisen auf ihren bevormundenden und diskriminierenden Charakter.[16] Deutschland hat darüber hinaus seine Grenzkontrollen und Einreisebestimmungen verschärft und weist nun alle Personen ohne gültige Ausweispapiere ab, ausgenommen Kinder und schwangere Frauen.[17] Zur Ausweitung der Kontrollen wurden rund 3000 neue Bundespolizist*innen an der Grenze stationiert.[18] An diesen Maßnahmen wurde kritisiert, dass sie gegen das EU-Recht und die internationalen Verpflichtungen Deutschlands verstießen, wie z. B. die Freizügigkeit innerhalb des Schengen-Raums mit Verzicht auf systematische Grenzkontrollen.[19]
Auch bei Maßnahmen zur Erleichterung bei der Einwanderung sind Probleme aufgetreten. Im Juni 2024 wurde die „Chancenkarte“ als Punktesystem für den leichteren Arbeitsmarktzugang für Drittstaatsangehörige ohne festen Arbeitsplatz in Deutschland eingeführt.[20] Die Visumserteilung verläuft jedoch im Allgemeinen schleppend, was die Nutzung der Karte stark einschränkt. Um das Einreichen der umfangreichen geforderten Unterlagen zu erleichtern, wurde das Portal „Anerkennung in Deutschland“ zur Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen eingerichtet wurde.[21] Ein weiterer Anlass zur Sorge ist, dass Deutschland zunehmend auf biometrische Daten setzt, um die Effizienz von Einwanderungsverfahren zu steigern. Biometrische Daten könnten zwar eine genauere Identifizierung ermöglichen, aber die Verwendung solch sensibler persönlicher Daten birgt auch die Gefahr von unverhältnismäßiger Überwachung und von Diskriminierung.[22] Das Pilotprojekt „Match'in“ nutzt ein algorithmengestütztes Matching-Verfahren, um Geflüchtete auf der Grundlage von individuellen Merkmalen und Integrationsaussichten an Kommunen zu verteilen. Die ersten Ergebnisse bei Aufnahme und Integration dieser Schutzsuchenden waren positiv.[23]
Bewährte Verfahren:
Eine positive Entwicklung ist die Ausweitung der App „Integreat“, einer nicht-profitiellen, mehrsprachigen Informationsplattform für Menschen, die in einer neuen Kommune ankommen.[24] Die App deckt über 120 Kommunen ab und bietet Informationen zu den Bereichen Wohnen, Bildung, Arbeit und Gesundheit. Dies erleichtert den Integrationsprozess erheblich und erfüllt sehr hohe Datenschutzstandards, da keine personenbezogenen Daten gespeichert werden, wie mehrere Verwaltungsmitarbeiter berichten, die die App bei ihrer Arbeit verwenden.[25]
Qualität der Arbeitsgenehmigungen für Drittstaatsangehörige
Drittstaatsangehörigen stehen mehrere Wege für die Einwanderung nach Deutschland offen. Viele Verfahren sind speziell auf die Einwanderung von Fachkräften ausgerichtet und bieten Aufenthaltsgenehmigungen, die mit einer Arbeitserlaubnis verbunden sind. Die „Blaue Karte EU“ zum Beispiel ist ein Aufenthaltstitel für Hochqualifizierte, die einen Hochschulabschluss und ein konkretes Arbeitsplatzangebot in Deutschland mit einem Mindestjahresgehalt voraussetzt. Diese Karte gilt nur für Branchen, in denen ein Mangel an Fachkräften besteht. Zugewanderte mit Blauer Karte profitieren von einer schnelleren Erteilung eines unbefristeten Aufenthaltstitels, den sie schon nach 27 Monaten erhalten bzw. schon nach 21 Monaten, wenn sie über ausreichende Deutschkenntnisse verfügen. Das Fachkräftevisum ist insofern ähnlich, als es ein konkretes Stellenangebot und eine anerkannte Qualifikation voraussetzt, wobei es sich bei dieser Qualifikation jedoch nicht um einen Hochschulabschluss handeln muss.[26] Das Freelancer-Visum steht Selbstständigen und Freiberuflern zur Verfügung, unter der Voraussetzung, dass sie Kundschaft nachweisen können. Im Rahmen des Rechts auf Familienzusammenführung können Familienangehörige von Personen, die sich rechtmäßig in Deutschland aufhalten, eine Aufenthaltserlaubnis erhalten.[27] Für ukrainische Geflüchtetegilt derzeit ein Sonderstatus, der in der Regel eine befristete Aufenthaltserlaubnis und eine Erlaubnis zur sofortigen Arbeitsaufnahme beinhaltet. Sie sind jedoch von bestimmten reglementierten Berufen ausgeschlossen, z. B. im Gesundheits- und Bildungswesen.[28]
Die Chancenkarte wurde kürzlich als Ergänzung zu den bisherigen Möglichkeiten eingeführt. Anhand von Kriterien wie Sprachkenntnissen, Qualifikationen und beruflichem Fachwissen erhalten qualifizierte Drittstaatsangehörige eine einjährige befristete Aufenthaltserlaubnis.[29] Während dieser Zeit können sie in Deutschland nach einem Arbeitsplatz suchen, so dass sie auch ohne ein konkretes Arbeitsplatzangebot einwandern können. Sie müssen jedoch Qualifikationen, Sprachkenntnisse und den Nachweis ausreichender Mittel für ihren Lebensunterhalt erbringen.[30] Diese Option wurde nur in geringem Umfang genutzt, wie die niedrige Zahl der 2024 und 2025 erteilten Visa zeigt.[31] (Siehe obiger Abschnitt über die Eingliederung von Eingewanderten und anderen Personen.)
Geschlechtergleichstellung
Geschlechterungleichheit besteht in Deutschland trotz mehrerer wichtiger Initiativen, die 2024 und 2025 eingeführt werden, fort. Geschlechtsspezifische Gewalt und die Gewalt gegen Frauen haben mit 360 Femiziden im Jahr 2023 einen neuen Höchststand erreicht.[32] Zwar liegen die offiziellen Zahlen für 2024 noch nicht vor, der Anstieg dürfte sich jedoch fortgesetzt haben. Populistische und konservative Medien versuchen den Eindruck zu erwecken, dass besonders Migrant*innen die Straftaten begehen. Frauenverbände und Schutzorganisationen weisen jedoch darauf hin, dass der entscheidende Faktor nicht die ethnische Zugehörigkeit, sondern schlicht das Geschlecht ist, da die große Mehrheit der geschlechtsspezifischen Verbrechen von Männern begangen wird.[33] Der besorgniserregende Anstieg veranlasste den Bundestag im Februar 2025 das Gewalthilfegesetz zu verabschieden.[34] Dazu gehören der Rechtsanspruch auf kostenlosen Schutz und Beratung sowie die Bereitstellung von 2,6 Milliarden Euro für den Ausbau von Frauenhäusern. Der Rechtsanspruch auf kostenlosen Schutz und Beratung tritt jedoch erst 2032 in Kraft. Und das Budget für Frauenhäuser ist auf 11 Jahre verteilt - nur 236 Millionen Euro pro Jahr bis 2036. Der Verein Frauenhauskoordinierung (FHK) forderte die Bundesregierung auf, die Umsetzung dieses Gesetzes zu beschleunigen und das Fehlen einer klaren Definition von Vergewaltigung zu beheben.[35]
Eine wichtige Entwicklung im Bereich der LGBTQI+-Rechte war das Inkrafttreten des Selbstbestimmungsgesetzes am 1. November 2024.[36] Dadurch wurde das Verfahren zur Änderung des Geschlechtseintrags erheblich vereinfacht, da anstelle einer gerichtlichen Entscheidung nur noch eine Erklärung der betreffenden Person erforderlich ist. Dies hat zu einem erheblichen Anstieg bei den Änderungen des Geschlechtseintrags geführt. Schätzungen zufolge werden jeden Tag etwa 100 Anträge gestellt.[37]
Das geschlechtsspezifische Lohngefälle in Deutschland besteht fort, wie von der NSG festgestellt. Der Abstand verringerte sich 2024 gegenüber 2023 um 2 Prozentpunkte, dennoch verdienten Frauen 2024 laut dem Statistischem Bundesamt immer noch 17 % weniger als Männer.[38] In männerdominierten Wirtschaftszweigen wie der Finanz- und Versicherungsbranche ist der Unterschied mit 26 % besonders ausgeprägt.[39] Alter ist dabei ein wichtiger Faktor, Frauen über 50 verdienen 23 % weniger als Männer der gleichen Altersgruppe.[40]
[1] Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege 2025: https://www.bagfw.de/ueber-uns/100-jahre-bagfw/finanzierung
[2] Deutscher Bundestag (2024), “Haushalt 2025: Knapp 180 Milliarden für Arbeit und Soziales”: https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-1015554
[3] Der Paritätische (2025), “Halbzeitbilanz der Arbeit der NRW-Landesregierung: Partnerschaft, Politik und Wohlfahrt”: https://www.paritaet-nrw.org/service/news/halbzeitbilanz-der-arbeit-der-nrw-landesregierung
[4] Ixnet (2025), “SoVD NRW warnt vor Kürzungen bei Leistungen für behinderte Menschen”: https://ixnet-projekt.de/SharedDocs/Kurzmeldungen/DE/sovd_nrw_2024.html
[5] Ixnet (2025), “SoVD NRW warnt vor Kürzungen bei Leistungen für behinderte Menschen”: https://ixnet-projekt.de/SharedDocs/Kurzmeldungen/DE/sovd_nrw_2024.html
[6] Deutsche Aidshilfe (2024), “Gegen Kürzungen in NRW: „HIV-Prävention braucht mehr als warme Worte“”: https://www.aidshilfe.de/de/meldung/protest-kuerzungen-aidshilfe-nrw
[7] WDR (2024), “Mildert Schwarz-Grün die Sozialkürzungen ab?”: https://www1.wdr.de/nachrichten/landespolitik/kuerzungen-im-sozialbereich-landesregierung-100.html
[8] CIVICUS (2025), “Snap election sees double support for the far-right; Continued crackdown on Palestine solidarity, protesters and NGOs under pressure”: https://monitor.civicus.org/explore/snap-election-sees-support-double-for-the-far-right-continued-crackdown-on-palestine-solidarity-protesters-and-ngos-under-pressure/
[9] Häusliche Pflege (2024), “Drohende Einschnitte: Freie Wohlfahrtspflege NRW schlägt Alarm”: https://www.haeusliche-pflege.net/drohende-einschnitte-freie-wohlfahrtspflege-nrw-schlaegt-alarm/
[10] Bundesministerium der Finanzen (2025) ” Entdecken Sie den Bundeshaushalt interaktiv”: https://www.bundeshaushalt.de/DE/Bundeshaushalt-digital/bundeshaushalt-digital.html
[11] Informationsverbund Asyl&Migration (2024), “Rückführungsverbesserungsgesetz tritt in Kraft”: https://www.asyl.net/view/rueckfuehrungsverbesserungsgesetz-tritt-in-kraft
[12] OECD (2024), “International Migration Outlook 2024″: https://www.oecd.org/en/publications/2024/11/international-migration-outlook-2024_c6f3e803/full-report/germany_1c19b40c.html
[13] DW (2024), “Deutsche Einwanderungspolitik: Was ändert sich im Jahr 2024?”: https://www.dw.com/en/german-immigration-policy-whats-changing-in-2024/a-67753472
[14] Informationsverbund (2024) ”Grundleistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes fallen 2025 niedriger aus”: https://www.asyl.net/view/grundleistungen-des-asylbewerberleistungsgesetzes-fallen-2025-niedriger-aus
[15] DW (2024), “Deutsche Einwanderungspolitik: Was ändert sich im Jahr 2024?”: https://www.dw.com/en/german-immigration-policy-whats-changing-in-2024/a-67753472
[16] DW (2023), ”Deutsche Regierung erwägt Begrenzung der Überweisungen von Migranten”: https://www.dw.com/en/german-government-mulls-limiting-migrant-remittances/a-67213316
[17] The Times (2025), ”Deutschland wird Migranten ohne Papiere an der Grenze zurückweisen”: https://www.thetimes.co.uk/article/germany-will-turn-away-migrants-without-papers-at-the-border-xf8tr60mr
[18] Reuters (2025), ”Germany to reject undocumented migrants at border, interior minister says”: https://www.reuters.com/world/europe/germany-reject-undocumented-migrants-border-bild-reports-2025-05-07/
[19] DW (2025), ”Flucht und Migration: Heftige Kritik an Deutschland”: https://www.dw.com/de/flucht-migration-fluechtlinge-integration-deutschland-bundesregierung-asyl-abschiebungen-v2/a-72599820 ; Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit, ”Report Globale Flucht 2024”: https://infodienst.bioeg.de/migration-flucht-und-gesundheit/materialien/report-globale-flucht-2024/
[20] Die Bundesregierung (2024), “Neue Wege zur Fachkräftegewinnung”: https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/fachkraefteeinwanderungsgesetz-2182168
[21] Anerkennung in Deutschland (2025), ”Willkommen”: https://www.anerkennung-in-deutschland.de/html/en/index.php
[22] Netzpolitik.org (2024), ”Der biometrische Albtraum im Herzen des EU-Asylsystems”: https://netzpolitik.org/2024/eurodac-der-biometrische-albtraum-im-herzen-des-eu-asylsystems/ ; Electronic Frontier Foundation (2024), “Germany Rushes to Expand Biometric Surveillance“: https://www.eff.org/deeplinks/2024/10/germany-rushes-expand-biometric-surveillance
[23] NDR (2024), ”Verteilung von Geflüchteten auf Kommunen - Algorithmus soll helfen”: https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/hannover_weser-leinegebiet/Verteilung-von-Gefluechteten-auf-Kommunen-Algorithmus-soll-helfen,gefluechtete496.html
[24] Landratsamt München (2024) ” Integreat”: https://www.landkreis-muenchen.de/buergerservice/dienstleistung/integreat/
[25] Allegemeine Beitung (2025) ” Integreat-App ist im Kreis Bad Kreuznach längst etabliert”: https://www.allgemeine-zeitung.de/lokales/kreis-bad-kreuznach/landkreis-bad-kreuznach/integreat-app-ist-im-kreis-bad-kreuznach-laengst-etabliert-4770179
[26] Auswärtiges Amt (2025), ”Fachkräfte willkommen! - Deutschlands modernes Einwanderungsgesetz”: https://www.auswaertiges-amt.de/en/2248702-2248702
[27] Deutschland Visum (2025), ”Arbeiten in Deutschland: Visa, Steuern, Arbeitnehmerrechte und Arbeitsbedingungen”: https://www.germany-visa.org/immigration/working-germany
[28] Lexware (2025), ”Beschäftigung ukrainischer Geflüchteter: Das müssen Sie beachten”: https://www.lexware.de/wissen/mitarbeiter-gehalt/beschaeftigung-ukrainischer-gefluechteter-das-muessen-sie-beachten/
[29] Die Bundesregierung (2024), “Neue Wege zur Fachkräftegewinnung”: https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/fachkraefteeinwanderungsgesetz-2182168
[30] Centuro Global (2025), ”Ein Arbeitsvisum für Deutschland im Jahr 2025 erhalten": https://www.centuroglobal.com/article/germany-work-permit-2025
[31] EY (2025), “Chancenkarte: Top oder Flop - eine erste Bestandsaufnahme”: https://www.ey.com/de_de/technical/news-zum-internationalen-mitarbeitereinsatz/chancenkarte-top-oder-flop-eine-erste-bestandsaufnahme
[32] DW (2024), ”Deutschland verzeichnet Anstieg bei Gewalt gegen Frauen”: https://www.dw.com/en/germany-records-rise-in-violence-against-women/a-70647309
[33] One Billion Rising (2025), ”Femizid Deutschland 2024 - Wir fordern Ursachenbekämpfung”: https://www.onebillionrising.de/femizid-opfer-meldungen-2024/
[34] Euractiv (2025), ”Deutschland verabschiedet ‘historisches’ Gesetz gegen häusliche Gewalt”: https://www.euractiv.com/section/health-consumers/news/germany-passes-historic-law-against-domestic-violence/
[35] Frauenhaus-koordinierung e.V. (2025), “Das Gewalthilfegesetz - ein Meilenstein für Schutz und Beratung”: https://www.frauenhauskoordinierung.de/arbeitsfelder/rechtsanspruch-auf-schutz/gewalthilfegesetz
[36] Deutsche Missionen in den Vereinigten Staaten (2025), ”Selbstbestimmung”: https://www.germany.info/us-en/service/04-familymatters/self-determination-2671874
[37] Destatis (2025) ”Daten zur Änderung des Geschlechtseintrags für das Jahr 2024”: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Geburten/daten-zur-aenderung-geschlechtseintrag.html#:~:text=Geschlechtseintrags%C3%A4nderungen%20im%20Jahr%202024&text=Mit%20Inkrafttreten%20des%20Gesetzes%20%C3%BCber,auf%20knapp%20unter%203%20000.
[38] Destatis (2025), ”Geschlechtsspezifisches Lohngefälle”: https://www.destatis.de/EN/Themes/Labour/Labour-Market/Quality-Employment/Dimension1/1_5_GenderPayGap.html
[39] Destatis (2025), ”Geschlechtsspezifisches Lohngefälle”: https://www.destatis.de/EN/Themes/Labour/Labour-Market/Quality-Employment/Dimension1/1_5_GenderPayGap.html
[40] DIW (2025), ”Das geschlechtsspezifische Lohngefälle nimmt mit dem Alter in allen Bildungsschichten zu”: https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.948163.de/dwr-25-18-1.pdf
Punktzahl: 50
Faire Beschäftigungsbedingungen
Angemessene Entlohnung
Die Angemessenheit der Entlohnung ist in Deutschland ein beständiges Problem, wie die NSG berichtet. Der gesetzliche Mindestlohn wurde im Januar 2024 zwar auf 12,41 Euro pro Stunde und im Januar 2025 auf 12,82 Euro pro Stunde angehoben, doch reicht er nicht aus, um einen angemessenen Lebensstandard zu gewährleisten. Deutschland hat die EU-Richtlinie über angemessene Mindestlöhne im November 2024 formell umgesetzt, die eine Möglichkeit aufzeigt, „angemessene Mindestlöhne“" als mindestens 60 % des Bruttomedianlohns oder 50 % des Bruttodurchschnittslohns zu definieren. Damit Deutschland diese Schwellenwerte erreicht, müsste der gesetzliche Mindestlohn pro Stunde nach Schätzungen von Eurofound mindestens 13,50 Euro betragen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat sich bereits im April 2024 für eine Erhöhung des Mindeststundenlohns auf 14 Euro ausgesprochen, um mit der Inflation Schritt zu halten und die steigenden Lebenshaltungskosten zu decken. Zivilgesellschaftliche Organisationen und der Paritätische Gesamtverband unterstützen diese Forderung und weisen auf die Notwendigkeit hin, Verbesserungen für besonders gefährdete Gruppen wie Alleinerziehende und behinderte Arbeitnehmer vorzunehmen.
Trotz der formalen Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht reicht jedoch keine der deutschen Durchführungsmaßnahmen aus, um die Schwellenwerte für die Löhne zu erreichen. Stattdessen wurde der Mindestlohn auf der Grundlage von Empfehlungen der deutschen Mindestlohnkommission festgelegt, einem dreigliedrigen Beratungsgremium, das sich aus Arbeitgebervertreter*innen, Gewerkschaften und unabhängigen Sachverständigen zusammensetzt und das in der Regierung eingesetzt wurde. Diese Empfehlungen trugen zur Erhöhung des Mindestlohns im Januar 2025 bei, Gewerkschaftsvertreter kritisierten diese Erhöhung jedoch als nicht ausreichend, um menschenwürdige Lebensbedingungen zu gewährleisten.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) werden 2024 6,5 % der erwerbstätigen Erwachsenen unterhalb der Armutsgrenze leben.[1] Dieser Wert lag zwar unter dem EU-Durchschnitt von 8,2 %, bestimmte Arbeitnehmergruppen sind in Deutschland jedoch stärker von Armut bedroht, darunter Teilzeitbeschäftigte (9,6 %) und Arbeitskräfte mit befristeten Verträgen (13,4 %). Obwohl viele dieser Arbeitskräfte in Vollzeitbeschäftigung arbeiten, sind sie auf Zusatzleistungen angewiesen, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Auch regionale Ungleichheiten bestehen fort: Der Durchschnittslohn in Ostdeutschland liegt deutlich - zum Teil bis zu 20 % - unter dem in Westdeutschland.[2] Tarifverträge in ländlichen und weniger wohlhabenden Gebieten sind darüber hinaus in der Regel schwächer, was die Unterschiede noch verstärkt und Beschäftigte dort häufiger ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen aussetzt. Die Zahl der Personen, die im Gig-Working tätig sind oder als Solo-Selbstständige eingestuft werden, ist auch in Deutschland gestiegen. Diese Arbeitskräfte sind in einer besonders vulnerablen Situation, da die Betreiber der Gig-Plattformen argumentieren, sie seien unabhängige Auftragnehmer*innen und fielen daher nicht unter die Gesetze zu Lohngarantien und Sozialleistungen. Diese Argumentation ist nicht in Gänze korrekt, wurde vom Arbeitsgericht Berlin im April 2024 jedoch bestätigt. Die EU-Richtlinie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit, die 2024 verabschiedet wurde und bis zum 2. November 2026 in nationales Recht umgesetzt werden muss, verpflichtet die Mitgliedstaaten dazu, eine Fiktionsregelung in ihre nationale Gesetzgebung einzuführen. Das bedeutet, dass für eine Plattforme tätige Beschäftigte als abhängig Beschäftigte angesehen werden, wenn der Plattformbetreiber nicht das Gegenteil beweisen kann. Diese Umkehrung der Beweislast dürfte den Arbeitsschutz für Plattformbeschäftigte verbessern.
[1] Destatis (2024), “Erwerbsarmut trotz Arbeit”, https://www.destatis.de/Europa/DE/Thema/Bevoelkerung-Arbeit-Soziales/Soziales-Lebensbedingungen/Arm-trotz-arbeit.html#:~:text=Europa%20Armutsgefährdung%20von%20Erwerbstätigen&text=2024%20lebten%20in%20Deutschland%206,Teilzeitarbeitende%20(9%2C6%20%25
[2] WSI (2025), “Tarifbindung und Lohnunterschiede”, https://www.wsi.de/de/faust-detail.htm?sync_id=HBS-009121
Punktzahl: 47
Sozialschutz und Inklusion
Beseitigung der Armut
Die monatliche Armutsgefährdungsschwelle für Alleinlebende stieg von 1314 Euro im Jahr 2023 auf 1381 Euro im Jahr 2024. Im gleichen Zeitraum stiegt auch die Armutsquote um 1,1 Prozentpunkte. Rund 13 Millionen Menschen - 15,5 % der deutschen Bevölkerung - sind damit von Armut betroffen.[1] Besonders betroffen sind junge und ältere Menschen.
Die Armutsquote bei Kindern unter 18 Jahren lag 2024 bei 15,2 %. Die betroffenen Kinder kommen hauptsächlich aus Familien mit niedrigem Einkommen, da ihre Eltern entweder in Niedriglohnjobs arbeiten oder gesundheitliche Probleme oder eine Behinderung haben, so die NSG. Diese Probleme werden häufig noch dadurch verschärft, dass es an Kinderbetreuungsmöglichkeiten mangelt, insbesondere für Alleinerziehende. Das Bildungs- und Teilhabepaket umfasst 195 € für Schulmaterial pro Jahr, bietet kostenlose Mahlzeiten in Schulen und Kindertagesstätten sowie kostenlose Beförderung zur Schule und Schulausflüge für Kinder aus einkommensschwachen Familien, die häufig bereits Anspruch auf andere Sozialleistungen haben.[2] Die Vorgängerregierung unter Bundeskanzler Olaf Scholz kündigte die Einführung einer Kindergrundsicherung an, die jedoch nicht zustande kam. Bei jungen Menschen (18-24 Jahre) lag die Armutsquote bei 24,8 %. Bei jungen Frauen lag die Quote mit 26,9 % um 4,2 Prozentpunkte höher als bei jungen Männern. Viele junge Menschen finden keinen Ausbildungsplatz oder eine andere Ausbildungsmöglichkeit. Bei denjenigen, die einen Ausbildungsplatz finden, reicht das Lehrlingsgehalt oft nicht zur Deckung von Miete und Lebensunterhalt, selbst wenn sie zusätzliche Unterstützung erhalten. Dies gilt besonders für junge Menschen, die nicht mehr bei ihren Eltern wohnen.[3]
Eine wichtige strukturelle Ursache für Armut ist die Nichtinanspruchnahme von Leistungen aufgrund von Stigmatisierung, bürokratischen Hürden, Komplexität und mangelnden Informationen über den Zugang zu diesen Leistungen.[4] Eine weitere Ursache sind unzureichende Leistungen, die auch durch erhebliche geschlechtsspezifische Unterschiede entstehen. Das geschlechtsspezifische Lohngefälle führt beispielsweise zu niedrigerem Arbeitslosengeld und - was besonders wichtig ist - zu niedrigeren Renten für Frauen. Das geschlechtsspezifische Rentengefälle betrug im Jahr 2024 31,4 %, dies spiegelt sich in der Armutsquote der über 65-jährigen Frauen wider. Diese Quote lag mit 21,6 % um 5,4 Prozentpunkte höher als die der männlichen Senioren.
[1] Der Paritätische (2025), “Verschärfung der Armut Paritätischer Armutsbericht”: https://www.der-paritaetische.de/fileadmin/user_upload/Publikationen/doc/armutsbericht_2025_web_fin.pdf ; https://www.dmsg.de/news/detailansicht/paritaetischer-armutsbericht-2025-armut-waechst-in-deutschland-trotz-wohlstand-armutsrisiko-steigt-weiter-an
[2] Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2025), “Kinderzuschlag und Leistungen für Bildung und Teilhabe“ https://www.bmbfsfj.bund.de/bmbfsfj/themen/familie/familienleistungen/kinderzuschlag-und-leistungen-fuer-bildung-und-teilhabe-73906
[3] Destatis (2024), ”Die Hälfte der Studierenden mit eigener Haushaltsführung hat weniger als 867 Euro im Monat zur Verfügung”: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2024/08/PD24_N044_62.html
[4] AWO (2025), ”Gegen Ungleichheit - monetäre Armutsbekämpfung bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen”: https://awo.org/wp-content/uploads/Kampagnen/2025/Factsheet_Gegen-Ungleichheit.pdf
Ergebnis: 58
Raum für bürgerliches Engagement
Der CIVICUS Monitor hat 2023 den zivilgesellschaftlichen Raum in Deutschland von seit 2018 „offen“ auf „beeinträchtigt“ herabgestuft.[1] Die Einstufung als „beeinträchtigt“ spiegelt wider, dass Beeinträchtigungen der Bürger*innenrechte häufiger geworden sind und der Raum für bürgerliches Engagement eingeengt wurde. Bei Demonstrationen und Protesten werden zunehmend polizeiliche Überwachungsmaßnahmen durchgeführt. In einigen Fällen kam es bei Pro-Palestina Demonstrationen zu Polizeigewalt - auch bei friedlichen Demonstrationen. Bestimmte Proteste werden gänzlich untersagt. Zivilgesellschaftliche Organisationen und andere Organisationen, insbesondere kleinere, sehen sich einem zunehmend feindseligen Umfeld gegenüber, das ihre Aktivitäten durch Finanzierungs- und Verwaltungshürden beeinträchtigt.
Handlungsspielräume für die Zivilgesellschaft
In den Jahren 2024 und 2025 wurden laut der NSG die Handlungsspielräume für die Zivilgesellschaft in Deutschland enger. Grundlegende Freiheiten wie die Versammlungsfreiheit werden zunehmend eingeschränkt, vor allem bei pro-palästinensischen Demonstrationen. Lokale Behörden in Berlin, Hamburg und anderen Städten haben pro-palästinensische Proteste sogar im Vorfeld verboten und dies mit der Sorge um die öffentliche Sicherheit begründet.[2] Diese Entscheidungen wurden von Organisationen wie Human Rights Watch kritisiert, da sie rechtlich nicht eindeutig begründet und unverhältnismäßig und diskriminierend seien.[3] Die Verbote betrafen Proteste, die von Studierendengruppen, von Migrant*inneninitiativen und von Friedens-NRO organisiert wurden. Die Veranstalter*innen wurden von der Polizei überwacht und Hausdurchsuchungen unterzogen, und Aktivist*innen und Akademiker*innen, die als Redner*innen eingeladen waren, wurde die Einreise nach Deutschland verweigert.[4] Darüber hinaus wurde die Verwendung des Slogans „From the River to the Sea“ häufig zum Anlass für Strafverfolgung herangezogen, wobei die Rechtsprechung hinsichtlich einer generellen Strafbarkeit der Verwendung des Slogans je nach Region geteilter Meinung ist.[5][6] Selbst auf friedliche Proteste von Schülern und Schülerinnen reagierte die Polizei mit Gewalt und Brutalität.[7]
Das Fehlen eines klaren Rechtsschutzes für zivilgesellschaftliche Organisationen ist laut der NSG ein wichtiges Problem. Das bundesdeutsche Gemeinnützigkeitsrecht enthält keinen klaren Schutz für Advocacy-Arbeit.[8] Dies setzt zivilgesellschaftliche Organisationen der Gefahr für politisch motivierte Entscheidungen über ihren Gemeinnützigkeitsstatus aus, der erforderlich ist, um steuerlich absetzbare Spenden und öffentliche Mittel erhalten zu können. Im April 2024 verlor zum Beispiel eine für Klimagerechtigkeit kämpfende Organisation in Nordrhein-Westfalen ihre Gemeinnützigkeit, nachdem sie Anti-Kohle-Demonstrationen unterstützt hatte. Diese Entscheidung wurde sowohl von Greenpeace als auch von Rechtswissenschaftlern heftig kritisiert.[9][10]
Weitere wichtige Auswirkungen auf zivilgesellschaftliche Organisationen hat das im Mai 2024 verabschiedete Rückführungsverbesserungsgesetz, das zivilgesellschaftliche Organisationen betrifft, die im Bereich Migration tätig sind. Das Gesetz ermöglicht Verwaltungssanktionen gegen Organisationen und Einzelpersonen, die „einen irregulären Aufenthalt unterstützen“, auch wenn es sich dabei um humanitäre Hilfe handelt.[11] Zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich für Antidiskriminierung, Gleichstellung der Geschlechter und die Bekämpfung von Extremismus einsetzen, mussten sich mit politischen Anfeindungen auseinandersetzen, sowohl durch Medienkampagnen als auch durch Verwaltungsentscheidungen. Ein deutliches Beispiel dafür ist die Weigerung des Innenministeriums von Sachsen-Anhalt, einen langjährigen Zuschuss für eine Jugenddemokratie-Initiative zu verlängern, da diese öffentlich rechtsextreme Narrative kritisiert hatte.[12]
Jede dieser Beschränkungen hat eine abschreckende Wirkung auf Organisationen und auf Menschen, die in der Zivilgesellschaft arbeiten. Das gleichzeitige Auftreten hat diese Auswirkungen noch verstärkt. Diese Beschränkungen spiegeln ein breiteres Muster wider, mit dem versucht wird, zivilgesellschaftliche Organisationen, welche die vorherrschenden politischen Ansichten und Narrative zu wichtigen sozialen Fragen in Frage stellen, zum Schweigen zu bringen. Mehr als ein Drittel der 50 vom DeZIM-Institut befragten Organisationen waren mehrmals pro Woche Opfer von Angriffen.[13] Zu diesen Angriffen gehörten Hassreden, Einschüchterungen und gezielte Störungen, sowohl digital als auch physisch. Dies hat viele Organisationen dazu veranlasst, Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen. Fast die Hälfte der Organisationen berichteten, dass sich Freiwillige aufgrund des feindseligen Klimas zurückziehen würden.
Kleinere zivilgesellschaftliche Organisationen, gemeinschaftsbasierte Organisationen und Basisbewegungen leiden besonders unter Bedrohungen und Angriffen dieser Art. Auch marginalisierte Gemeinschaften sind besonders gefährdet, da sie oft nur über begrenzte finanzielle Mittel verfügen und ein leichtes Ziel für politische Angriffe sein können. Dazu gehören rassistisch diskriminierte Menschen, Migrant*innen, Queer- und Trans-Aktivist*innen sowie Roma-Lobbygruppen. Die Europäische Kommission hat den besorgniserregenden Zustand des zivilgesellschaftlichen Raums in Deutschland in ihrem Bericht über die Rechtsstaatlichkeit 2024 angesprochen. Dort wurde insbesondere auf die unklare rechtliche Definition von „unpolitischen“ gemeinnützigen Aktivitäten und die diesbezüglich uneinheitliche Praxis in den einzelnen Bundesländern hingewiesen. Der Bericht spiegelt zusammen mit anderen EU- und OSZE-Berichten die Ergebnisse von Schattenberichten von in Deutschland tätigen zivilgesellschaftlichen Organisationen wider.[14] In diesen werden das Ausmaß dieser Hindernisse und die strukturelle Diskriminierung bei der öffentlichen Finanzierung dokumentiert und aufgezeigt. Die deutsche Zivilgesellschaft ist angesichts dieser Bedingungen gezwungen, ihre Resilienz zu stärken. Die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt bietet breite Unterstützung an, um die Finanzierung und den Fortbestand der Organisationen zu sichern. Die Stiftung stellt Fördermöglichkeiten vor, die Organisationen helfen sollen, die von rechtlichen Einschüchterungen und politisch motivierten Entscheidungen zur Streichung von Mitteln betroffen sind.[15]
[1] CIVICUS (2025), ”CIVICUS Monitor - Deutschland”: https://monitor.civicus.org/country/germany/
[2] Amnesty International (2024), ”Recht auf Protest für alle: Einschränkungen von Palästina-solidarischen Stimmen in Deutschland”: https://www.amnesty.de/aktuell/deutschland-einschraenkung-pro-paleastinensischer-proteste
[3] Human Rights Watch (2024), ”Deutschland und die Menschenrechte: Bundestagswahl 2025: Empfehlungen an die politischen Parteien”: https://www.hrw.org/news/2024/12/18/germany-and-human-rights
[4] CIVICUS (2024), ”Unterdrückung der Palästina-Solidarität geht weiter: Razzien, Verhaftungen und Polizeibrutalität”: https://monitor.civicus.org/explore/repression-of-palestine-solidarity-continues-raids-detentions-and-police-brutality/
[5] CIVICUS (2023), ”Versammlungsfreiheit durch Verbot von Pro-Palästina-Protesten bedroht, Journalisten schikaniert”: https://monitor.civicus.org/explore/freedom-of-assembly-threatened-by-bans-on-pro-palestine-protests-journalists-harassed/
[6] Bürgerservice Hessenrecht (2024), “Versammlungsbeschränkung hinsichtlich der Parolen “From the river to the sea” und “Juden-Kindermörder””: https://www.rv.hessenrecht.hessen.de/bshe/document/LARE240000475
[7] CIVICUS (2024), ”Unterdrückung der Palästina-Solidarität geht weiter: Razzien, Verhaftungen und Polizeibrutalität”: https://monitor.civicus.org/explore/repression-of-palestine-solidarity-continues-raids-detentions-and-police-brutality/
[8] Euractiv (2025), ”Deutsche Konservative zielen nach Wahlsieg auf NGOs wegen politischer Haltung”: https://www.euractiv.com/news/german-conservatives-take-aim-at-ngos-over-political-stances-after-election-win/
[9] Greenpeace (2024), ”Ende Gelände ist Teil der Klimabewegung”: https://www.greenpeace.de/ueber-uns/leitbild/solidaritaetserklaerung-ende-gelaende-ist-teil-der-klimabewegung#:~:text=Die%20Klimabewegung%20hat%20es%20in,Gel%C3%A4nde%20als%20linksextremistischen%20Verdachtsfall%20ein
[10] Taz (2018) ” Klimaschützer linksextrem?”: https://taz.de/Verfassungsschutz-ueber-Kohleproteste/!5605385/ ; Jakob Hohnerlein (2024) ” Verfassungsfeindlicher Klimaaktivismus?”: https://verfassungsblog.de/verfassungsfeindlicher-klimaaktivismus/
[11] European Fundraising Association (2025), “Schrumpfende Räume in Deutschland - ein Land im Wandel“: https://efa-net.eu/news/public-affairs/shrinking-spaces-in-germany-a-country-undergoing-change/
[12] MDR (2025), ”Stadtrat in Salzwedel stimmt gegen Demokratieprojekt - und verliert Fördergeld”: https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen-anhalt/stendal/salzwedel/salzwedel-demokratie-projekt-foedermittel-stadtrat-102.html
[13] Deutsches Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (2025), ”Hassmails, Vandalismus, Gewalt - aus dem Alltag zivilgesellschaftlicher Demokratiearbeit”: https://www.dezim-institut.de/presse/presse-detail/hassmails-vandalismus-gewalt-was-mitarbeitende-in-zivilgesellschaftlichen-organisationen-erleben/
[14] Agentur für Grundrechte (2025) ”Grundrechtebericht 2025”: https://fra.europa.eu/en/publication/2025/fundamental-rights-report-2025
[15] Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt (2025), ”Fördermöglichkeiten für Ihr Engagement”: https://www.deutsche-stiftung-engagement-und-ehrenamt.de/foerderalternativen/
Punktzahl: 50
Gerechter Übergang
Zugang zu Energie und Energiearmut
Energiearmut ist in Deutschland nach wie vor ein wichtiges Thema: Mehr als 10 % der Bevölkerung sind von der Gefahr betroffen, die steigenden Energiepreise nicht bewältigen zu können.[1] Konkret bedeutet dies, dass ein Zehntel der deutschen Bevölkerung ihre Wohnungen nicht richtig beheizen kann oder dafür eine hohe finanzielle Belastung auf sich nehmen muss. Darüber hinaus sind drei Millionen Haushalte nach wie vor auf fossile Brennstoffe angewiesen und damit anfällig für Preissteigerungen. Diese Haushalte leben häufig als Mieter in Mehrfamilienhäusern und viele sind alleinerziehend oder leben von einer kleinen Rente.[2]
Die Regierung hat mehrere Maßnahmen zur Bekämpfung von Energiearmut eingeführt. Dazu gehören finanzielle Unterstützung sowie Beratungs- und Hilfsdienste, die Bürger*innen helfen sollen, ihre Energieoptionen zu verstehen und finanzielle Unterstützung zu beantragen. Diese Dienste sind zwar hilfreich, aber der Zugang von Menschen mit niedrigem Einkommen wird durch physische (z. B. Entfernung) und logistische Hindernisse (z. B. die Zeiten, zu denen sie verfügbar sind) eingeschränkt, so die NSG.[3] Ein weiteres Beratungsangebot ist der Stromspar-Check: Ein Angebot, das von vorher langzeitarbeitslosen Menschen erbracht wird, die geschult wurden, um praktische Ratschläge zur Senkung der Energiekosten zu geben.[4] Diese Beratungen sind kostenlos und werden in Zusammenarbeit zwischen der Caritas und dem Bundesverband der Energie- und Klimaschutzagenturen mit Mitteln des Bundesumweltministeriums durchgeführt.
Eine weitere Maßnahme basiert auf den „Sozialen Klimaplänen“ (den nationalen Plänen für die Umsetzung von Maßnahmen, die aus dem sozialen Klimafonds der EU finanziert werden), die darauf abzielen, Energiearmut und Anfälligkeit zu definieren, Indikatoren zur Identifizierung dieser Gruppen zu entwickeln und Politiken und Maßnahmen zu entwerfen, die diese Gruppen bei der Umstellung auf klimafreundliche Technologien unterstützen und ihnen helfen, in diese Technologien zu investieren.[5] Das Bürgergeld ist eine Sozialleistung, die Wohnkosten wie Miete, Betriebs- und Heizkosten abdeckt, sofern diese Kosten für einkommensschwache Haushalte „angemessen“ sind.[6] Bürgergeldempfänger*innen müssen Mehrkosten aus eigener Tasche bezahlen, auch wenn sie sich dies nicht leisten können und dafür einen Kredit beantragen müssen. Die vorherige Bundesregierung unter Kanzler Scholz erhöhte das Wohngeld und führte dazu einen Klima- und einen Heizkostenzuschuss ein.[7] Sie plante auch die Einführung eines Klimagelds, um die gestiegenen Kosten für fossile Energie auszugleichen. Dieser Plan wurde jedoch aufgrund des vorzeitigen Endes der Regierungskoalition nicht umgesetzt.[8]
[1] Umweltbundesamt (2025) “Zwischenbericht Identifizierung und Unterstützung gefährdeter Haushalte vor dem Hintergrund steigender fossiler Energiekosten“: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/11850/publikationen/01_2025_texte.pdf
[2] Universität Münster (2025), ”„Gegen Energiearmut helfen vor allem strukturelle Lösungen“”: https://www.uni-muenster.de/news/view.php?cmdid=14574
[3] Ebd.
[4] Stromspar-chekc.de (2025), ”Startseite”: https://stromspar-check.de/
[5] Umweltbundesamt (2025) “Zwischenbericht Identifizierung und Unterstützung gefährdeter Haushalte vor dem Hintergrund steigender fossiler Energiekosten“: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/11850/publikationen/01_2025_texte.pdf
[6] Arbeitslosen Selbsthilfe.org (2025), ”Werden für Bürgergeld-Empfänger die Energiekosten übernommen?”: https://www.arbeitslosenselbsthilfe.org/buergergeld-energiekosten/#Buergergeld_beinhaltet_Kosten_fuer_Unterkunft_und_Heizung
[7] Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (2025), ”Wohngeld-Plus”: https://www.bmwsb.bund.de/DE/wohnen/wohngeld/wohngeld-plus/wohngeld-plus_node.html
[8] Universität Münster (2025), ”„Gegen Energiearmut helfen vor allem strukturelle Lösungen“”: https://www.uni-muenster.de/news/view.php?cmdid=14574

